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Das Fest Der Fliegen

Das Fest Der Fliegen

Titel: Das Fest Der Fliegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Heidenreich
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mit der Heiligen Jungfrau. Er überquerte die Straße und betrat den Rosengarten vor der Kimissis tis Theotokou. Die Büsche und Stöcke waren verblüht. Die große Marienkirche war menschenleer, in die drei Schiffe des Baus fiel bläuliches Tageslicht. Vom Giebel der Ikonostase blickte ihn das Gottesauge an. Er sah sich um, entdeckte eine alte Marienikone, trat vor sie hin, kniete nieder und betete um einen Befehl.
    Rüdiger Törring hatte es leicht. Es gab unter den Taxis, die vor der angekommenen Fähre warteten, nur drei Mercedes-Limousinen, und schon der Fahrer der ersten, ein kräftiger junger Makedone, der nicht nach schwerer Arbeit aussah, hieß Aristides. »Aristos Aristides«, sagte er, hob mit gewichtverachtender Lässigkeit das Gepäck der Deutschen in den Kofferraum und hielt die hintere Tür auf. Beide setzten sich nach hinten. Der junge Mann sprach ein gut verständliches Englisch und Swoboda überließ Törring die Konversation. Er wunderte sich darüber, dass Turbo mit dem Fahrer so heiter und fließend parlierte, bis ihm auffiel, woran es lag. Der Makedone fuhr sicher und ruhig, hatte beide Hände am Steuer und war in den Serpentinen, die sich zwischen Seekiefern und Steineichen, zwischen weißen Flecken nackten Marmors, rotem Sand und schwarzen Waldbrandinseln hinaufzogen, nie in Not, nachsteuern oder entgegenkommenden Lastwagen mit ihren gewaltigen Marmorblöcken auf der Ladefläche ausweichen zu müssen. Bei Aristos Aristides fühlt man sich wie in Abrahams Schoß, dachte Swoboda und schloss die Augen vor Müdigkeit. Er erwachte von deutschen Sätzen und vom Lachen des Fahrers. Törring hatte ihn gefragt, wo man den Maler Simeon Lavrakis in Panagia finden könne. Aristides antwortete in einwandfreiem Schwäbisch: »Den finden Sie net in Panagia. Mein Onkel verzieht sich am Ende der Saison immer in die Berge. Er braucht des nach den ganzen Tourischten, die ihm zwar Bilder abkaufen, aber auch keine ruhige Minute lassen. Er schließt sein rotes Haus in Panagia ab und zieht nach Kastro. Das isch das Ende der Welt, da gibt’s nix, es isch furchbar.« »Ihr Onkel«, wiederholte Swoboda, um sicherzugehen, dass er richtig gehört hatte. »Ja, er isch der Bruder von meiner Mama. Was wollen Sie von ihm?« Bevor Turbo Luft holen konnte, antwortete Swoboda: »Ich habe eine Galerie in Deutschland und würde gern ein paar Bilder von ihm ausstellen. Ich bin selbst Maler.« Aristides steuerte eine Straßenbucht an und hielt. »Ein Kollege? Des wird ihn freuen. Ich rufe ihn sofort an. Das Einzige, was da oben funktioniert, isch des Handy. Sonscht kann man da bloß mit Ziege und Schafe schwätze.« Bevor Törring und Swoboda sich entscheiden konnten, ob sie den Anruf für richtig oder für falsch hielten, hatte Aristides seinen Onkel Lavrakis bereits angewählt. Er redete los, hart und schnell, und schaltete sein Telefon aus. »Schad, net da, die Mäjlbox.« »Sie reden aber prima Stuttgart«, wagte Swoboda anzumerken. Aristos lachte. »Drei Jahr Berufsschul und acht Jahr Montasche. No hab i mir meinen Daimler mitgebracht.« Er ließ den Diesel an, blinkte, sah in den Rückspiegel und fuhr auf die Straße nach Panagia. Im Hotel seiner umfänglichen Mutter, die ihrem Sohn bis zur Schulter reichte, erfuhren Swoboda und Törring, dass Olgas Mann nach sechzehn Jahren Arbeit als Lackierer an Bauchspeicheldrüsenkrebs gestorben war. Olga Aristides war mit den erwachsenen Kindern und dem Sarg des Mannes zurück nach Panagia gekommen, um das schon Jahre zuvor gekaufte und bezahlte kleine Hotel selbst zu übernehmen. Man hatte ihr gesagt, dass eine deutschsprachige Leitung besonders gute Chancen im Tourismus hatte. Zur Zeit wäre es aber besser, Russisch zu können, meinte sie. Sie sei zufrieden, denn das Leben sei gut zu ihnen gewesen. Ihre Augen sagten etwas anderes. »Ich komme morgen früh«, verabschiedete sich Aristos, als er die Koffer in die Zimmer gebracht hatte. »Ich fahr Sie nach Limenaria, von dort geht die Waldpischte nach Kastro nauf. Ein Vater von einem Freund von mir in Kalivia hat en Landrover, der leiht den bestimmt her. Acht Uhr?« Bevor Swoboda etwas einwenden konnte, hatte Törring schon zugestimmt. Er fragte nach einer Möglichkeit, ins Internet zu kommen. Olga führte ihn stolz an ihren Computer, der neben einem Drucker auf dem Esstisch in der Küche stand, und Turbo teilte Klantzammer in Zungen und Bossi in Berlin ihre Ankunft mit. Kurz darauf empfing er das Faksimile des öffentlichen Manifests

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