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Das Fest Der Fliegen

Das Fest Der Fliegen

Titel: Das Fest Der Fliegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Heidenreich
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irgendwo ein paar Flaschen Wasser kaufen könne. Zwei Stunden später waren von den in der Stadt erworbenen fünf Wasserflaschen noch zwei voll, die auf der hinteren, mit grünem Öltuch bezogenen Sitzbank des Landrover Station herumrollten. Wie von Aristos versprochen, hatte der Vater seines Freundes in Kalivia den Wagen getankt und bereitgestellt, allerdings, bevor er Swoboda den Schlüssel übergab, gefragt, ob er sich denn mit alten Autos auskenne. Törring würdigte er keines Blicks. Dann war Swoboda mit dem Wagenbesitzer – der dürre, weißbärtige Siebzigjährige hatte sich als Dimosthenis Hatziemanouil vorgestellt und sein Gefährt aus den Fünfzigerjahren mit zärtlichen Gesten beschrieben – eingestiegen und hatte erstaunt festgestellt, dass es noch Autos ohne Plastik gab. Hier war nur Blech. Aristos übersetzte die technischen Anweisungen. Doppelkuppeln beim Hochschalten. Doppelkuppeln mit Zwischengas beim Runterschalten. Halten, bevor der Kriechgang mit einem kurzen schwarzen Kugelknauf neben dem Ganghebel eingeschaltet wurde. »Untergesetzt, ist das richtig gesagt?«, fragte Aristos, dessen Mechanikerlehre ins Automatikzeitalter mit Schlupfregelung gefallen war. »Untersetzung«, verbesserte Swoboda. »Ein Zwischengetriebe, das alle Gänge runterstuft. Damit kannst du die Steilwand rauf.« Aristos lachte. Dimosthenis Hatziemanouil blickte ängstlich auf Swoboda, der legte ihm die Hand auf den Arm. »Keine Sorge, ich bin schon Lloyd Leukoplastbomber gefahren.« Er erfuhr noch, dass beim Festfahren im weichen Sand oder Schlamm die Differentialsperre nützlich sei, ein handbreiter, roter Druckknopf über einer Feder, auf dem Kardantunnel angebracht, und dass er für dessen Eindrücken nicht nur halten, sondern möglichst auch den Motor ausschalten sollte. Rüdiger Törring staunte über so viel notwendige Beteiligung des Menschen an technischen Entscheidungen. Sein Spitzname Turbo, den ihm Swoboda vor Jahren verliehen hatte, war in der Bauzeit dieses Landrovers ein unbekanntes Wort. Dimosthenis Hatziemanouils Frau brachte Oliven und Rotwein aus eigenem Anbau, Weißbrot und Schafskäse. Swoboda fischte ein Fliege aus seinem Glas und wunderte sich, dass ihm der Wein schon wieder schmeckte. Nach einer Stunde kamen sie los. Der lange Allrader erwies sich als laut und hart, das doppelte, unterlüftete Tropendach klapperte, und Törring musste seine Stimme anstrengen, um zu erzählen, was Aristos ihm vom Besitzer berichtet hatte: dass der alte Mann in weit zurückliegenden Jahrzehnten mit diesem Wagen zwei Mal durch die algerische Sahara bis zum Sahel gefahren war, bei der zweiten Reise sechs Monate lang weiter nach Westafrika und hinunter bis in den Kongo. Er hing an dem Fahrzeug wie an seinem Leben. Aristos hatte darum gebeten, das Fahrzeug zu schonen. Bis in das Bergdorf Maries war die Straße schmal, aber befestigt und verlief am Rand eines Bachbetts. Als sie einen jenseits des Baches von der Felswand rauschenden Wasserfall passiert hatten, hörte der Asphalt auf, ging in Schotter und schließlich in eine rotsandige Waldpiste über, die sich bald mehrfach verzweigte, ohne dass irgendwelche Hinweise Orientierung boten. Der Karte nach, die Törring in Panagia besorgt hatte, lag Kastro südöstlich. Doch die Wegezeichnung war von künstlerischer Großzügigkeit. Swoboda fuhr nach Gefühl, sowohl was die Richtung als auch was den Untergrund betraf, der abrupt von harten Rinnen und Buckeln, adrigen Wurzelverflechtungen, steinigen Bachbettpartien zu mehlweichen, tiefen Sandbetten wechselte, wo sich hinter dem Wagen rote Staubwolken zwischen die Kiefern wälzten. Nach einer Kurve, hinter der die Piste zwischen niedrigem Macchiabewuchs noch eine steile Steigung nahm und plötzlich nur noch über hellgrauen, rissigen Granit führte, tauchte das alte Dorf Kastro auf, ein Weiler von zumeist verfallenen, aus Natursteinen gefügten Häusern ohne Dach. Einige wurden anscheinend wieder aufgebaut, Beton aus der Ebene verband die Steine des Gebirges zu neuen Mauern. Von der anderen Seite der Kuppe wurde ein Stromkabel heraufgeführt. Swoboda fragte sich, wie Lastwagen hier heraufkommen konnten. Offenbar gab es von Limenaria aus noch andere, breitere Pisten. Sie stellten den Landrover vor einem Haus ab, das sich mit einem handgemalten Schild als Taverne empfahl. Es war geschlossen. »Hier soll einer wohnen?« Törring blickte über die nackten Granitflächen, die Dorfstraßen sein sollten, hinaus auf die umliegenden

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