Das Fest der Köpfe
daran, daß Stepanic jetzt eine Waffe besaß, von der er rücksichtslos Gebrauch machen würde. Als eine Zielscheibe wollte ich nicht eben dastehen.
Stepanic mußte einfach gestellt werden. Mit seinem Wissen konnte er ein nicht beschreibliches Unheil über die Menschheit bringen. Deshalb war es so wichtig, ihn auszuschalten. Er gehörte zu den Typen, auf dessen Steckbrief früher der Begriff ›tot oder lebendig‹ gestanden hätte. Jedenfalls war die Gasse leer, was mich ungemein beruhigte. Ich schlich weiter, ging aber ziemlich schnell. Als ich das Licht des ausgehöhlten Kürbisses durchquerte, da standen an der Einmündung einige Gestalten. Sie hatten mich gesehen und auch bemerkt, daß ich nicht maskiert war. Sie selbst hatten sich maskiert.
Ich sah die Maske eines Werwolfs, die über den gesamten Kopf gezogen war und aus weichem Gummi bestand. Der andere Kerl sah aus wie Freddy Krüger, ihm fehlten nur die Finger mit den Messern. Der dritte hatte sich einen Rattenschädel über den Kopf gestreift. Wer sich unter den Masken verbarg, war leider nicht zu erkennen. Ich dachte daran, daß auch Stepanic sich eine derartige Maske aufsetzen konnte.
Das wäre schlimm gewesen, denn an seine Kleidung konnte ich mich nicht erinnern. Es war einfach zu finster gewesen. Helle Sachen trug er jedenfalls nicht.
Ich ging auf die drei zu.
Sie benahmen sich wie die kleinen Kinder, tanzten auf der Stelle und kreischten mir entgegen. Der Freddy-Mann winkte mit seinen Händen. Er hatte auch die langen Finger, aber diese bestanden aus Gummi. Dann sprang er vor und wollte sie in mein Gesicht stoßen, was ich verständlicherweise nicht gern hatte.
Ich drehte den Kopf zur Seite, er verfehlte mich, ich stieß mir den Weg frei.
»He, Mister, du mußt dich maskieren!« hörte ich eine helle Stimme unter der Werwolfsmaske.
»Ja, später.« Ich blieb stehen. »Hört mal zu. Ich bin doch nicht der einzige, der hier ohne Maske herumläuft.«
»Wie meinst du das?«
»Ich suche euren Arzt.«
Der Rattenkopf kicherte. »Meinst du Stepanic?«
»Genau den?«
»Den haben wir nicht gesehen.«
»Müßt ihr aber. Er ist durch diese Einfahrt und auf die Straße gelaufen. Oder machen euch die Masken blind?«
»Bestimmt nicht, Mann.«
»Dann laßt mich mal suchen. Es eilt. Ich brauche ärztliche Hilfe. Schönen Abend noch.«
Sie nickten und waren still geworden. Sie fragten nicht, für wen ich den Arzt haben wollte, das trauten sie sich wohl nicht. Ich ging auf die Straße. Als ich die Mitte erreicht hatte, blieb ich stehen. Lautes Bimmeln störte mich. Ich drehte den Kopf und sah einen geschmückten Wagen. Er wurde von zwei Pferden gezogen. Sein Mittelpunkt war ein gewaltiger Aufbau aus Pappmache. Es zeigte ein riesiges Monstrum, grün und rot angestrichen, wobei die roten Streifen das Blut darstellen sollten, das aus zahlreichen Wunden rann. Das Monster hatte einen Phantasieschädel mit einem riesigen Maul, das dem eines Krokodils sehr ähnlich war. Aus dem Maul drangen in gewissen Intervallen Dampfwolken, die sich flatternd über dem Wagen verteilten. Junge Leute umtanzten das Monstrum wie die Verführten das goldene Kalb im alten Testament. Die Mädchen und Jungen hatten sich verkleidet, trugen bunte, grelle Umhänge, und einer von ihnen sah in seiner schwarzen Kleidung und dem hohen Spitzhut aus wie ein Zauberer. Er hatte sein Gesicht unter der Krempe bleich geschminkt. Sogar eine Stereoanlage hatten sie mitgenommen. Schauermusik dröhnte aus den Lautsprechern.
Wie die anderen Zuschauer, so trat auch ich etwas zurück, weil ich Pferde und Wagen vorbeilassen wollte.
Die Tiere waren Kummer gewohnt. Sie trotteten mit hängenden Köpfen über die Straße und schienen sich um nichts zu kümmern. Die Halbwüchsigen machten einen Heidenspektakel. Obwohl die Gruselmusik lief, war ihnen das nicht genug Lärm. Sie hatten sich mit Tröten und Pfeifen bewaffnet, sie röhrten und kreischten mit diesen Instrumenten und schleuderten bunte Luftschlangen in die wartenden Zuschauer an den beiden Seiten.
Ich war wohl der einzige, der sich von der karnevalistischen Szene nicht ablenken ließ.
Bevor der Wagen mich jedoch passiert hatte, fiel mir etwas auf. In einem toten Winkel neben der Figur hatte sich eine Gestalt geduckt. Sie wäre mir wahrscheinlich nicht aufgefallen, nur weil der Wagen etwas schwankte und die Gestalt Mühe mit dem Gleichgewicht bekam, mußte sie die Deckung verlassen.
Ich erkannte den Mann sofort.
Es war Stepanic!
Ob er mich
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