Das Fest der Schlangen
heraufdämmernden Tageslicht konnte er das ferne Grau hinter den Brandungswellen erkennen. »Ich muss immer daran denken, wie das Mädchen abgeschnitten wurde. Als Janie das Seil durchschnitt. Nina ist auf meine Schulter gefallen, und ich spüre immer noch ihr Gewicht. Ich kann es nicht erklären. Sie fühlte sich unglaublich schwer an. Dann berührte ihr nasses Haar mein Gesicht, und ich wäre beinahe durchgedreht. Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll – als verschwände meine ganze Welt, alles, was ich liebe. Flog alles einfach aus dem Fenster. Und stattdessen blieb nur Dunkelheit. Das geht mir nicht aus dem Kopf.«
Woody wusste nicht, was er dazu sagen sollte. Bobby und er sprachen nie über emotionale Dinge, sie zeigten niemals Zuneigung und drückten einander nur selten die Hand. Aber nichts davon kam ihnen in den Sinn, als er die Hand ausstreckte und sie dem anderen Mann auf die Schulter legte. Er fühlte nur, dass ihm alle Worte genommen waren und nur seine Hand auf Bobbys Schulter noch helfen konnte. Er ließ sie ein paar Sekunden liegen. Die Wellen rauschten und rauschten.
Hercel McGarty saß am Frühstückstisch und stocherte in seiner orangegelben Lieblingsschale mit den Cheerio-Frühstücksflocken. Ein paar davon schwammen oben auf der Milch, ein paar waren untergegangen. Ein paar hingen zusammen, andere schwammen allein. Er stieß eine mit dem Löffel an, dann noch eine, und sah zu, wie sie dümpelten. Das alles war interessant. Er hatte keinen großen Hunger. Es war Viertel nach sechs, und in einer Stunde würde er zur Schule aufbrechen.
Er hörte, wie seine Schwester im Badezimmer am Ende des Korridors in der Wanne plantschte, während seine Mutter mehrmals fragte: »Bist du sicher, dass du immer noch nicht sauber bist?«
Randy, der Zwergdackel seiner Mutter, saß zu seinen Füßen, und sein Blick schwor heilige Eide, dass er seit mehreren Tagen nichts mehr zu fressen bekommen hatte. Randy liebte Cheerios, aber natürlich liebte er sämtliche Arten von Frühstücksflocken sowie fast alles andere außer Sellerie und Senf.
Draußen war es dunkel, und es regnete stark. Das bedauerte Hercel. Am Abend zuvor hatte Tigs Großmutter ihm ein neues Fahrrad gebracht. Na ja, tatsächlich war es ein sehr altes Fahrrad, doch für Hercel war es neu. »Ein englisches Rad«, hatte Bernie gesagt. Es hatte eine Sturmey-Archer-Dreigang-Nabenschaltung, einen Kettenschutz, einen Dynamo-Scheinwerfer und einen Gepäckträger mit Federklappe über dem hinteren Schutzblech. Das Rad war schwarz, aber ziemlich verrostet, und die Chrombeschichtung auf dem geraden Lenker war narbig und blätterte ab. Beide Schutzbleche waren verbeult. Nur die Reifen waren neu, und die Bremsen funktionierten. Es war ein Raleigh und ziemlich schwer. Bernie hatte erzählt, Barton habe es als Student auf dem College gekauft. »Das war vor ein paar hundert Jahren.«
Hercel war noch nicht damit gefahren, hatte nur in der Garage auf dem Ledersattel gesessen. Er wollte gern damit zur Schule fahren, aber vielleicht würde er es nicht tun. Er hatte nichts dagegen, nass zu werden, doch das Rad sollte trocken bleiben. Schließlich war es ein neues Rad.
Hercel stocherte immer noch in seinen Cheerios, als Carl die Treppe herunterkam: klump klump klump . Hercel und sein Stiefvater sahen einander an, ohne etwas zu sagen. Mr. Krause schätzte es nicht, wenn Hercel sprach, bevor er, Mr. Krause, das Gespräch eröffnet hatte. Carl ging zum Kühlschrank und nahm einen großen Virginia-Schinken heraus, von dem er ein paar Scheiben abzuschneiden gedachte. Er aß gern Schinken, und er briet die Scheiben gern in der Pfanne und aß sie mit gebuttertem Toast.
Er legte den Schinken auf das Schneidebrett am anderen Ende des Tisches und schärfte das Kochmesser mit vielleicht zehn Strichen auf dem Wetzstahl. Hercel schaute hin und gleich wieder weg. Carl legte das Messer mit der Schneide oben an den Schinken, beäugte es, positionierte es neu und beäugte es wieder. Langsam zog er das Messer durch den Schinken und schnitt eine dünne Scheibe herunter. Sie schälte sich ab wie ein Holzspan unter dem Hobel. Carl trat zurück und betrachtete sie zufrieden. Dann legte er das Messer wieder an den Schinken, beäugte es erneut und schnitt eine noch dünnere Scheibe ab.
»Verstehst du etwas vom Häuten, Junge?«
Hercel blickte von seinen Cheerios auf. »Nein, Sir.«
Carl sagte nicht sofort wieder etwas. Er legte das Messer erneut an den Schinken und wiederholte den
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