Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Fest der Schlangen

Das Fest der Schlangen

Titel: Das Fest der Schlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Dobyns
Vom Netzwerk:
Baldo gesehen?« Nein, hatten sie nicht. Sie hatten ihn nicht mal weggehen sehen.
    Das erste Haus, das Baldo besuchte, war das Haus der Murrays nebenan. Es schneite noch immer, und seine Spuren waren die einzigen auf dem Gehweg. Baldo kannte die Murrays schon sein ganzes Leben lang, also nicht besonders lange. Er klingelte.
    Heather Murray öffnete die Tür und machte einen Satz. Es war acht Uhr, und sie hatte nicht mehr mit Halloween-Besuchern gerechnet. Die Maske war schrecklich – ein schmales, graues Gesicht, schwarz umrandete, blutunterlaufene Augen und diese Eckzähne. Andererseits war Baldo noch nicht ganz anderthalb Meter groß, und sein schwarzes Cape war von Schneeflocken gesprenkelt.
    »Baldo, bist du das?«
    »Süßes oder Saures!«
    »Weiß deine Mutter, dass du draußen unterwegs bist?«
    »Na klar. Bin doch bloß nebenan.«
    Mrs. Murray hatte keine Süßigkeiten gekauft, weil ihr Mann gesagt hatte, die Sammelei sei abgesagt worden. Aber sie hätte sich denken können, dass Baldo aufkreuzen würde. Jetzt fand sie nichts als eine Tafel dunkle Ghirardelli-Schokolade, die sie sich für ihr postmenstruales Syndrom aufgehoben hatte. »Iss sie nicht vor dem Schlafengehen, Schatz«, sagte sie. »Sonst bleibst du wach.«
    »Werd ich nicht.« Baldo sprang die Stufen hinunter. »Danke.«
    Sie blieb noch lange genug in der offenen Tür stehen, um zu sehen, wie Baldo die Straße hinunterlief. Er ging also nicht nach Hause. Vielleicht sollte sie Laura anrufen.
    Im nächsten Haus brannte kein Licht, und im übernächsten auch nicht. Baldo beschloss, sich weiter hinauszuwagen.
    Streifenwagen fuhren in den Straßen von Brewster auf und ab. Baldo sah auch einen, aber die Polizisten sahen ihn nicht. Er war klein und flink, und die Polizisten waren schläfrig und gelangweilt.
    Ein paar Straßen weiter hielt ein weißer Chevy-Lieferwagen im Hinterhof des You-You in der Water Street. Ein Mann sprang heraus, lief zur Hecktür und riss sie auf. Dann ging er zur Seite. Nach ein paar Augenblicken sprang ein Kojote in den Schnee herunter und fing an herumzuschnüffeln, dann ein zweiter und ein dritter. Sie schnüffelten an der Mauer entlang und trabten dann los, und ihre Spuren blieben im Schneematsch zurück. Kurz nach acht rief Heather Murray bei Laura Bonaldo an. »Laura, du lässt Baldo auf Halloween-Runde gehen? Ich bin sehr überrascht.«
    Woody war schon auf dem Revier, als Lajoie und Bruce Slovatsky eintrafen. Er warf jedem der beiden eine kugelsichere 111 a-Kevlarweste zu. Seine trug er bereits. Sie hatte vorn eine Tasche für die harte Traumaplatte, doch Woody sparte sich die Mühe.
    Der kommissarische Polizeichef Fred Bonaldo sah vom Flur aus zu, wie Lajoie und Slovatsky die Schutzwesten anzogen. Er hoffte, man werde ihn nicht auffordern mitzukommen. Er hatte noch nie eine Kevlarweste getragen, außer um sie vor dem Spiegel anzuprobieren. Er war ein stattlicher Mann. Eine Weste nutzte ihm nichts. Er brauchte etwas von der Größe eines Wasserboilers.
    Slovatsky hatte dichtes schwarzes Haar, das auf halber Höhe der Stirn begann. Sein Linksscheitel war ein weißer Strich, der über den Schädel nach hinten führte, und sein Haar glänzte von Gel. Er war Bodybuilder. Die Schutzweste bedeutete wahrscheinlich, dass man ihn nicht auffordern würde, seine Muskeln zu benutzen. Das sah er mit gemischten Gefühlen.
    Lajoie trug ihre Weste unter einem Gore-Tex-Parka. »Gehen wir auf eine Halloween-Party?«
    »Hey, Bonaldo«, rief Woody.
    Bonaldo zuckte zusammen. Er wusste, wenn er mitginge, würde er ganz sicher erschossen werden.
    »Nehmen Sie Hamilton Brantley fest und durchsuchen Sie das Bestattungsinstitut. Sie suchen nach Teilen von Schaufensterpuppen. Glauben Sie, das können Sie behalten? Und gehen Sie nicht allein.«
    Bonaldo ignorierte die Unhöflichkeit. Schließlich stand Woody unter starkem Stress.
    »Mit welcher Begründung?«
    »Mordverdacht.«
    »Sind Sie sicher? Ich kenne Ham schon mein ganzes Leben lang.«
    Woody stürzte sich nicht auf Bonaldo, ging jedoch sehr schnell auf ihn zu. Was er auch vorgehabt hatte, er überlegte es sich anders, als er noch zwei Handbreit von Bonaldos Nase entfernt war. »Tun Sie’s einfach«, sagte er leise.
    Sie nahmen den Tundra, und Slovatsky krümmte sich auf dem kleinen Rücksitz zusammen. Die Straßen waren glatt von Schnee und Eis. Woody hatte den Allradantrieb zugeschaltet, aber wenn er auf eine Eisfläche geraten sollte, würde er trotzdem Pirouetten drehen wie ein

Weitere Kostenlose Bücher