Das Fest der Schlangen
Schlittschuhläufer.
»Können Sie mir sagen, wo wir hinfahren?«, fragte Slovatsky.
»Zum Ofenpalast.«
Lajoie drehte sich um und tätschelte Slovatsky das Knie. »Keine Sorge, Herzchen. Er meint nur das Krematorium.«
Streuwagen waren unterwegs, die ersten in dieser Jahreszeit, sonst gab es wenig Verkehr. Woody hatte ein rotes Blinklicht mit einem Magnetboden. Er setzte es auf das Dach und steckte das Kabel in den Zigarettenanzünder. »Jetzt sind wir offiziell«, sagte er und erklärte Lajoie und Slovatsky, warum sie zum Krematorium fuhren.
»Bobby ist heute Nachmittag dahin gefahren. Seitdem habe ich nichts mehr von ihm gehört, und auch sonst niemand. Ich weiß nicht, ob er da ist, aber da werden wir anfangen.«
Je weiter sie sich von der Küste entfernten, desto kälter wurde es. Der Schnee fiel dichter. Die Tannen standen wie große weiße Säulen zu beiden Seiten der Straße. Woody fuhr schnell, obwohl das Heck des Wagens ein paarmal auszubrechen drohte. Jedes Mal, wenn das passierte, sagte Lajoie: »Upps.«
Woody hätte sie gern angefaucht, nur war das Dumme bei Lajoie, dass sie dann immer sehr viel lauter zurückfauchte. Sie hat keinen Sinn für Verhältnismäßigkeit , dachte er.
Das Krematorium war ungefähr fünfzehn Meilen weit von Brewster entfernt. Als sie bei der Skunk Hill Road waren, schneite es heftig, und der Schnee lag schon ungefähr fünfzehn Zentimeter hoch und saß wie kleine weiße Türmchen auf Zaunpfählen und Briefkästen. Woody bog in die lange Zufahrt zum Krematorium ein. Der Fahrweg lag wie ein weißes Band zwischen den Bäumen. Seit zwei Stunden war hier kein Auto mehr durchgefahren. Woody legte zehn Meter im Schritttempo zurück, schaltete dann die Scheinwerfer aus und fuhr weiter. Zwischen den Bäumen schimmerte das Licht über der Eingangstür des Krematoriums. Er fuhr bis an das freie Gelände um das Gebäude heran und hielt an. Drei Autos standen auf dem kleinen Parkplatz. Sie waren schneebedeckt, aber Bobbys 370 Z war leicht zu erkennen: eine schnittige, flache Silhouette. Rauch stieg aus dem Schornstein des Krematoriums.
»Da ist eine Kamera über der Tür«, sagte Woody. »Wenn jemand vor dem Monitor sitzt, weiß er schon, dass wir da sind.«
»Und wie kommen wir da rein?«, fragte Slovatsky.
Woody überlegte kurz. »Wie eine Tonne Backsteine.«
»Sehe ich genauso«, sagte Lajoie.
Als Woody das Revier verlassen hatte, fing Bonaldo an, Leute zusammenzutrommeln, die ihn zum Bestattungsinstitut begleiten sollten. Er bemühte sich, die Sache als Spezialeinsatz zu sehen. Dann könnte er sich im Hintergrund halten und zuschauen, wie das Team das Problem löste. Aber Brantley wirkte nicht sehr gefährlich. Lieutenant Damon Constantino meinte, es komme nicht infrage, dass Bonaldo ein Spezialeinsatzkommando hinausbeorderte. Damit würde er sich lächerlich machen. Bonaldo betrachtete Lieutenant Constantino machmal als »das Kreuz, das ich zu tragen habe«, und dann wieder sah er ihn als »Stachel in meinem Fleische«. Tatsächlich war Constantino ein tüchtiger Polizist, der einen großen Teil des Alltagsbetriebs auf dem kleinen Revier organisierte. Nur war es, als sagte Constantino jedem Tag einmal: »Wenn Sie das tun, machen Sie sich lächerlich.« Was er damit sagen wollte, wusste Bonaldo genau: Er war kommissarischer , kein richtiger Polizeichef. Constantino ging ihm auf die Nerven.
Also musste Fred Bonaldo sich mit sechs Mann zufriedengeben. Egal – er und Brantley waren immer freundschaftlich miteinander umgegangen. Brantley war ein Jahr älter als Bonaldo, und Bonaldo kannte ihn von Kindesbeinen an. Er hatte zu ihm aufgeschaut. In Bonaldos zweitem Jahr auf dem College war Brantley ein Examensstudent gewesen, hatte ein schönes Auto und eine hübsche Freundin mit großen Titten gehabt. Jenny Genoways hatte sie geheißen und war Captain der Cheerleader-Truppe gewesen. Heute hieß sie Jenny Brantley. Wie hätte Bonaldo da nicht zu ihm aufschauen sollen? Und jetzt sollte er ihn wegen Mordes verhaften? Für Bonaldo war das ein Riesenproblem.
Als er gerade dabei war, das Gebäude zu verlassen, rief Laura ihn auf dem Handy an. »Dein Sohn ist auf Halloween-Tour gegangen«, sagte sie. »Du musst dich darum kümmern.«
Das war eine komplizierte Aussage. Bonaldo und seine Frau hatten drei Söhne, aber Baldo, der jüngste, war der einzige, den Laura »deinen Sohn« nannte. Die beiden anderen waren »unsere Söhne«. Das kam daher, dass Baldo eine Miniaturnachbildung
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