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Das Fest

Titel: Das Fest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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Flugsteigs stehen. Die Tochter war jung und hübsch. Sie hieß Blair, und es war offenkundig, dass sie auf eine Reise gehen würde. Im Gegensatz zu ihren Eltern. Die drei betrachteten die Menschenmenge und fragten sich dann ebenfalls im Stillen, warum es unbedingt dieser Tag hatte sein müssen.
    Die Abschiedstränen waren bereits geweint — wenigstens zum größten Teil. Blair war dreiundzwanzig, frisch gebackene Jungakademikerin mit einem ansehnlichen Diplom in der Tasche, aber noch nicht willens, sofort eine berufliche Laufbahn einzuschlagen. Eine ihrer Freundinnen befand sich gerade mit dem Friedenskorps in Afrika, was Blair dazu bewogen hatte, die nächsten zwei Jahre ihres Lebens ebenfalls in den Dienst der Nächstenliebe zu stellen. Ihre Aufgabe würde darin bestehen, den Kindern von Eingeborenen in Ostperu das Lesen beizubringen. Sie würde dort in einer Hütte ohne sanitäre Anlagen, ohne Strom und ohne Telefon wohnen. Blair konnte dies alles kaum erwarten.
    Sie würde zuerst nach Miami fliegen und von dort aus nach Lima. Anschließend musste sie noch drei Tage lang mit dem Bus fahren, in die Berge, in ein vergangenes Jahrhundert. Zum ersten Mal in ihrem jungen, behüteten Leben würde Blair Weihnachten nicht zu Hause verbringen. Ihre Mutter klammerte sich fest an ihre Hand und bemühte sich um Fassung.
    Sie hatten sich bereits mehrfach verabschiedet. Die Frage: »Bist du sicher, dass du das auch wirklich willst?« war zum hundertsten Mal gestellt worden.
    Blairs Vater Luther betrachtete die Menschenhorden mit finsterem Blick. Was für ein Wahnsinn! Er hatte Frau und Tochter vor dem Eingang des Flughafens aussteigen lassen und den Wagen dann meilenweit entfernt auf einem Park-and-ride-Platz abgestellt. Dann war er in einem überfüllten Shuttlebus zurück zur Abflughalle gefahren und hatte sich zu diesem Flugsteig durchgeboxt. Er war traurig darüber, dass Blair fortging, und verabscheute all diese herumwimmelnden Leute. Luther hatte ausgesprochen miese Laune. Aber es sollte noch schlimmer kommen. Einige gehetzt wirkende Mitglieder des Bodenpersonals erschienen, worauf die Passagiere sich langsam wieder in Bewegung setzten. Der erste Aufruf erklang. Behinderte, Gebrechliche und die Reisenden der ersten Klasse wurden gebeten, sich bereitzuhalten. Die Drängelei erreichte die nächsthöhere Stufe.
    »Wir gehen jetzt wohl besser«, sagte Luther zu seiner Tochter, seinem einzigen Kind.
    Sie umarmten sich noch einmal und unterdrückten die Tränen. Blair bemerkte lächelnd: »Das Jahr vergeht bestimmt wie im Flug. Und nächstes Weihnachten komme ich nach Hause.«
    Nora, ihre Mutter, biss sich auf die Lippen, nickte und gab ihr einen Kuss. »Bitte sei vorsichtig«, sagte sie zum dutzendsten Mal.
    »Macht euch keine Sorgen.«
    Luther und Nora gaben ihre Tochter frei und sahen ihr nach. Sie reihte sich in die Warteschlange ein und entfernte sich Zentimeter für Zentimeter, fort von ihnen, fort von ihrem Heim und der Geborgenheit und allem, was sie bisher gekannt hatte. Als ihre Bordkarte überprüft wurde, drehte sie sich noch einmal um und lächelte ihren Eltern zum letzten Mal zu.
    »Das war es dann wohl«, sagte Luther. »Und jetzt genug geheult. Ihr wird schon nichts geschehen.«
    Schweigend beobachtete Nora, wie ihre Tochter verschwand. Dann wandten sich die beiden ab und schlossen sich der Menschenmenge an, die sich in Richtung Ausgang wälzte, vorbei an dem Weihnachtsmann mit der penetranten Glocke und den kleinen Läden, in denen sich die Leute gegenseitig auf den Füßen standen.
    Nora und Luther verließen den Flughafen und gingen zur Haltestelle des Shuttlebusses. Es begann zu regnen. Der Bus kroch über das Flughafengelände und spuckte sie zweihundert Meter von ihrem Wagen entfernt wieder aus. Mittlerweile goss es in Strömen. Es kostete Luther sieben Dollar, sich und sein Auto aus dem geldgierigen Klammergriff des Parkplatzwächters zu befreien.
    Während der Fahrt in die Stadt löste sich Nora schließlich wieder aus ihrer Erstarrung. »Ob wohl alles gut geht?«, fragte sie. Luther hatte diese Frage bereits so oft gehört, dass er ganz automatisch brummte: »Klar.«
    »Glaubst du wirklich?«
    »Klar.« Was machte es in diesem Moment schon aus, ob er das tatsächlich glaubte oder nicht? Blair war fort, sie beide konnten sie nicht aufhalten.
    Luther krampfte die Hände um das Lenkrad und verfluchte im Stillen den Verkehr, der immer zähflüssiger wurde. Er wollte gar nicht wissen, ob seine Frau weinte.

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