Das Fest
Kunden auf, hier und jetzt sofort ihren Weihnachtstruthahn zu bestellen. Erlesene Weine zum Fest, frisch eingetroffen! Und Weihnachtsschinken!
Was für eine Verschwendung, dachte Luther. Warum essen und trinken wir so viel, um die Geburt Christi zu feiern? Er entdeckte die Pistazien neben dem Brot. Hier war wieder diese sonderbare Chip's-Logik am Werk gewesen. Im Regal mit den Backzutaten war natürlich weit und breit keine weiße Kuvertüre zu entdecken, also fluchte Luther leise vor sich hin und trottete erneut suchend durch die Gänge. Jemand rammte ihm einen Einkaufswagen in die Hacken. Ohne sich zu entschuldigen, ohne es auch nur zu bemerken. »God Rest Ye Merry Gentlemen« erklang aus dem Lautsprecher in der Decke. Als ob Luther sich dadurch besser fühlen würde! Da hätten sie auch »Frosty der Schneemann« spielen können.
Zwei Gänge weiter stand neben den Reissorten aus aller Welt ein Regal mit Kuvertüre. Luther machte einen Schritt darauf zu und entdeckte die Ein-Pfund-Packung von Logan's. Ein zweiter Schritt, und die Kuvertüre war urplötzlich verschwunden — im Einkaufskorb einer streng aussehenden Frau, die ihn überhaupt nicht beachtete. Der für Logan's reservierte Platz im Regal war leer, und im nächsten schrecklichen Augenblick stellte Luther fest, dass kein Fitzelchen weiße Schokolade mehr zu sehen war. Jede Menge Zartbitter- und Vollmilchkuvertüre, aber keine weiße.
An der Expresskasse ging es natürlich langsamer voran als an den beiden anderen. Wegen der unverschämten Preise kauften die meisten Kunden nur das Nötigste, dies hatte jedoch keinerlei positiven Effekt auf die Schnelligkeit, mit der sie an der Kasse abgefertigt wurden. Eine unfreundliche Kassiererin ergriff jeden einzelnen Artikel, inspizierte ihn und gab dann von Hand den Barcode ein. Am anderen Ende des Fließbands wurden die Waren dann mehr oder weniger schlampig eingetütet. In der Vorweihnachtszeit wurden die Packer allerdings auf einmal sehr lebendig, waren mit Begeisterung und einem Dauerlächeln bei der Arbeit und bewiesen ein erstaunliches Gedächtnis für die Namen von Kunden. Die Jagd nach Trinkgeld hatte begonnen, eine weitere Nebenerscheinung von Weihnachten, die Luther verabscheute.
Über sechs Dollar für ein Pfünd Pistazien! Er schubste den eifrigen Packer beiseite und fürchtete, womöglich noch mehr Gewalt anwenden zu müssen, um den jungen Mann daran zu hindern, die kostbaren Pistazien überflüssigerweise in eine Plastiktüte zu stecken. Luther stopfte den Beutel in seine Manteltasche und machte sich schnell davon.
Eine Traube von Menschen war vor dem Tabakgeschäft stehen geblieben, um dem alten Mexikaner beim Dekorieren seines Schaufensters zuzusehen. Er ließ gerade kleine Roboter durch den Kunstschnee stapfen, was die Menge maßlos entzückte. Luther war gezwungen, den Bürgersteig zu verlassen, und zwar mit dem falschen Fuß zuerst. Sein linker Schuh versank in zehn Zentimeter hohem, eiskaltem Schneematsch. Luther erstarrte für den Bruchteil einer Sekunde, atmete tief ein und verfluchte den alten Mexikaner, seine Roboter, seine Zuschauer und vor allem die verdammten Pistazien. Dann zog er abrupt den Fuß aus der Pfütze und schleuderte dabei Schmutzwasser auf sein Hosenbein. Und während Luther nun mit zwei Eisfüßen in der Gosse stand, penetrantes Glockengebimmel erschallte, »Santa Claus Is Corning to Town« aus dem Lautsprecher dröhnte und der Bürgersteig durch fröhliche Menschen blockiert war, fing er langsam aber sicher an, das gesamte Weihnachtsfest zu hassen.
Als er den Wagen erreicht hatte, war das Wasser bis zu seinen Zehen vorgedrungen. »Weiße Kuvertüre gab's nicht mehr«, zischte er Nora zu, während er sich ans Steuer setzte.
Sie wischte sich die Augen.
»Was ist denn nun schon wieder?«, wollte er wissen.
»Ich habe gerade mit Blair gesprochen.«
»Was? Wie? Ist alles in Ordnung?«
»Sie hat aus dem Flugzeug angerufen. Es geht ihr gut.« Nora kaute auf ihrer Unterlippe herum und versuchte ihre Fassung wiederzuerlangen.
Was genau kostet es wohl, aus zehntausend Metern Höhe mit jemandem am Boden zu telefonieren?, fragte sich Luther. Er hatte solche Flugzeugtelefone schon einmal gesehen. Man benötigte dafür lediglich eine Kreditkarte. Blair hatte eine von ihm bekommen — eine von denen, bei der die Rechnungen an Mom und Dad geschickt wurden. Von einem Funktelefon da oben zu einem Handy hier unten, wahrscheinlich mindestens zehn Dollar.
Und wofür? Es geht mir gut,
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