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Das Festmahl des John Saturnall

Das Festmahl des John Saturnall

Titel: Das Festmahl des John Saturnall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Norfolk
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seines Bündels. Wie schwierig konnte es sein zu reden? Er reichte sein Bettzeug hoch. Dann das Bündel in Öltuch mit seinem befremdlichen Geruch. Josh packte beides auf das Pferd und ging dann vorsichtig um die Schlammpfützen herum zu der Stelle, wo das Maultier Gras rupfte. Der Junge sah ihm teilnahmslos zu und rieb sich die Handgelenke an den Stellen, an denen die Seile sie wundgescheuert hatten. Josh warf einen Blick auf die eingefallenen Wangen und auf die mageren Glieder in dem blauen Überrock.
    »Du läufst doch nicht weg, oder, John Sandall?«
    Der Junge schüttelte kaum merklich den Kopf. Die Gottlosen grünen wie das Gras, dachte Ben. Was hatte der Priester damit sagen wollen?
    »Wir gehen zum Gutshaus von Buckland«, sprach Josh weiter. »Weißt du, wo das ist? Sir William wird dich aufnehmen.«
    Der Junge zog den blauen Überrock enger um sich und blickte zu dem Tal zurück.
    »Du kannst nicht zurück«, sagte Josh ruhig. »Das, was geschehen ist, kannst du nicht mehr ändern.«

    Gott hatte sich seit dreiundvierzig Jahren verabschiedet. Als kleiner alter Mann in einem langen blauen Rock, gebeugt unter einem riesigen Sack, war er in einer Explosion glitzernder Splitter verschwunden. Im Augenblick darauf war Sankt Clodock ihm gefolgt, in sein Verderben gesungen mit einem eintönigen Psalm der Schurken in ihren Genfer Gewändern, die mit Steinen, Stangen, Tünche und Besen in die Kirche eingedrungen waren. Seitdem waren die Fenster von St. Clodock’s schmucklos geblieben.
    Das war Pater Holes erstes Osterfest in dieser Gemeinde gewesen. Nun stieg der Priester schwitzend und schwankend und mit wehendem
weißen Haar die knarrenden Stufen zu seiner Kanzel hinauf und fragte sich, warum das Geräusch berstenden Glases an diesem alltäglichen Sonntagvormittag in seinem Gedächtnis widerhallte. Warum sollte ihn Gottes Abwesenheit ausgerechnet nun bekümmern, nach der Herrschaft einer Königin und zweier Könige und nach der Einsetzung von sechs Bischöfen in Carrboro?
    Er legte die Hände auf das glatte Geländer und ließ den Blick über seine Gemeinde wandern, suchte in den aufwärts gerichteten Gesichtern nach einer Antwort. Von den alten Kirchenbänken unten starrten seine Gemeindemitglieder zu ihm hinauf.
    Die wohlhabendsten Grundbesitzer saßen vorne, die Cloughs, die Huxtables, die Sutons und der ehrbare Teil der Familie Chaffinge. Die Bänke hinter ihnen waren den Parkisons und Fentons vorbehalten und danach den Drurys, den anderen Chaffinges und den Riveretts. In den allen zugänglichen Bänken dahinter saß jedermann. Die Leute trugen ihre besten Hauben und Kleider, ihre saubersten Stiefel, Strümpfe und Kniehosen. Sie begafften ihn staunend und atmeten durch den Mund, um dem leisen Modergeruch zu entgehen, der aus dem Boden aufstieg. Die Starlings und die Dares behandelten einander an diesem Morgen, als wären sie Luft, wie Pater Hole auffiel. Tom Hob schwankte leicht, mit weit geöffnetem Mund, als wollte er Fliegen fangen. Vor ihm saß Maddy Oddbone, frisch entlassen aus ihrem Dienst, und stellte ihren geschwollenen Bauch dreist zur Schau. Ginny Lambe hatte eine frische Schürfwunde im Gesicht, und Elijah Huxtables Augen waren noch heftiger gerötet als seine Nase. In der Ecke saß Susan Sandall aufrecht in der letzten Reihe. Ihr Sohn, der sonst reglos und still dasaß, war wie von unbezähmbarer Unruhe erfasst. Ganz hinten stand sein schwarzgekleideter Aufseher, die groben Gesichtszüge von einem üppigen Schopf blonder Haare überschattet und mit unbeirrt und unerbittlich starrenden Augen.
    Das war es. Das war es, warum er sich an all das erinnerte, begriff Pater Hole, der den Zweig Minze in seinem Mund hinunterschluckte. Timothy Marpots Augen. Ihre Gewissheit, das war es. Die völlige
Abwesenheit jeglichen Zweifels. Die Männer in den schwarzen Umhängen hatten den gleichen Eindruck auf ihn gemacht.
    Doch kein Eiferer würde sein üppiges blondes Haar so lang tragen, dachte Pater Hole. Oder so selbstlos für seine Gemeinde wirken. Denn Marpot hielt die Predigt, wenn Pater Hole verhindert war, noch lange nachdem das Stundenglas abgelaufen war, wie Gideon Stevens berichtete. Er hielt sogar Bibelstunden in seinem Haus für Männer und Frauen aus der Gemeinde ab, so wie der Bischof es für gut befunden hatte. Nein, Timothy Marpots Kommen war ein Glücksfall für die Gemeinde gewesen. Ein Gottesgeschenk, wie Pater Hole zu seinem neuen Aufseher beim Begrüßungsmahl gesagt hatte. Als er Scheiben aus

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