Das Feuer das am Nächsten liegt
Karin-Ru würde wieder mit ihrem geliebten Partner vereint sein, und all die bunten Fäden von Torin und seinem Volk und die Dinge, die es angefertigt hatte, würden den Menschen dargebracht. Ich hob das Sehglas und hielt auf dem Deck der Esnar Ausschau nach einem Menschen unter den anderen. Stattdessen erblickte ich eine Truppe bewaffneter Pentroy-Vasallen, finstere Boten der Macht des Großen Ältesten, die eine reichgekleidete dünne gräuliche Gestalt umringten. Es wehte sogar ein großes Pentroy-Banner an der Mastspitze und am Bug, was mir zwischen den bunten Bändern entgangen war. Ich hatte das Gefühl, daß eine schwarze Wolke die Sonne verdunkelte.
Langsam kehrte ich zu dem Baum zurück und setzte mich mit hängendem Kopf neben Tsorl-U-Tsorl auf den Boden.
„Hast du es gesehen?“
„Pentroys. Und einer unter ihnen muß dann Ammur, die Oberhofmeisterin, sein. Sollte auch der Große Älteste dabei sein – unter Deck?“
„Tiath würde es nie wagen, sich so weit vom Festland zu entfernen.“
„Warum sind sie gekommen?“ brach es aus mir hervor. „Haben sie Scott Gale mitgebracht? War das die Gefahr, die Nantgeeb meinte?“
„Ich weiß es nicht, Yolo Horn, und ich wage es nicht zu bleiben, um es ausfindig zu machen.“
Ich wußte, innerlich erschaudernd, daß er recht hatte; er durfte nicht von Ammur gesehen werden oder es würde seinen Tod bedeuten. Meine nächsten Gedanken galten unseren armen Freunden. Was hatten die Pentroys mit ihnen vor?
„Die Pentroys werden ihnen nichts antun“, sagte Tsorl. „Das ist kein Angriff, sondern ein friedlicher Besuch. Wir wissen nicht, wie sich die Dinge zwischen Scott und den Pentroys verhalten. Vielleicht ist er ein Freund des Großen Ältesten geworden.“
„Ist das möglich?“
„Natürlich“, sagte Tsorl. „Gibt es einen besseren Weg, um die Macht, die die Menschen bringen, zu kontrollieren? Es ist zwar nicht Tiath’ Art, aber vielleicht hat er es trotzdem getan.“
„Sie dürfen uns nicht sehen …“ flüsterte ich.
„Glaubst du, daß die Vasallen dich erkennen werden?“
„Nein. Das bezweifle ich stark. Kein Vasall, der in Itsik gedient hatte, würde auf so eine Vergnügungsfahrt wie diese geschickt werden.“
„Yolo Horn, du bist die einzige Person auf dieser Welt, die einzige Moruianerin, die einigermaßen gut die Menschensprache spricht.“
„Ich bin noch weit davon entfernt, sie zu beherrschen.“
Aber ich wußte, was der Abgesandte meinte. Ich konnte Karin-Ru, Lisa-Kind und Sam-Deg nicht der Gnade und Ungnade der Pentroys ausliefern. Ich sah traurig im Wald umher und das Schnattern der Baumbewohner und das Rattern der Flammenvögel. Weit, weit hinter meinen Augen dachte ich vielleicht wieder einmal an die Freiheit. Ich setzte mich kurz neben den Abgesandten, und wir vereinbarten eine Stelle im unteren Wald, um dort Botschaftsbänder hinterlassen zu können. Dann ergriff ich meinen Beutel voll reifer Früchte und stieg den Hügel zum Lager hinab. Mir schien, als hörte ich die angenehme Stimme der Lehrmaschine in meinem Kopf:
„Du mußt zurückgehen.“
Das Netz der Ningan
Nachdem ich meine Entscheidung getroffen hatte, rannte ich immer schneller zurück und erreichte das blaue Zelt völlig außer Atem. Was ich dort sah, hätte mich zum Lachen und zum Weinen bringen können. Statt der drei Freunde, die ich täglich sah, erblickte ich drei neue Personen. Sam, Lisa und Karin hatten die Zeit, während der das Schiff nahte, genutzt, um sich umzuziehen. Lisa und Karin trugen seidene Hosenanzüge in jenem blendenden Weiß, das die Webstühle der Erde so prächtig herzustellen vermochten, und Sam sah sehr schick in einer weiß-blau-goldenen Uniform aus.
„Yolo …“ Karins Augen strahlten. „Du – glaubst du, daß er kommt?“
„Wer sind sie?“ fragte Sam. „Ist Scott bei ihnen? Hat Nantgeeb uns etwas über diesen Besuch gesagt?“
Mir dämmerten die schrecklichen Schwierigkeiten, die vor mir lagen. Wie könnte ich nur einen Bruchteil dessen erklären, was ich wußte und von Ammur Ningan und den Pentroy-Vasallen befürchtete?
„Na, komm schon!“ rief Sam-Deg. „Das sind deine Leute, Yolo Horn. Moruianer wie du selbst. Kopf hoch, mach die Augen nicht zu! Wo ist der Abgesandte? Wir möchten ihn auf der Terrasse haben …“
„Nein!“ schrie ich. „Der Abgesandte darf nicht von diesen Leuten gesehen werden.“
Lisa und Sam wechselten Blicke, dann legte Lisa die Hand auf meinen Arm.
„Wir wollen nicht in
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