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Das Feuer das am Nächsten liegt

Das Feuer das am Nächsten liegt

Titel: Das Feuer das am Nächsten liegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cherry Wilder
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Früher war Nantgeeb ein führender Diener des Luntroy-Clans gewesen.“
    „Nicht gerade mein Clan …“ Ich grinste, und der Abgesandte brach in Lachen aus.
    „Was gibt es denn da zu lachen“, fuhr Sam hoch. „Ich habe diese Privatwitze auf Moruianisch satt!“
    „Schon gut“, sagte Lisa. „Wir haben die Botschaft erhalten … Sam-Deg.“
    Wir beendeten, noch weiter scherzend, das Frühstück und machten uns dann an verschiedene Arbeiten. Es war so ein Inseltag, der heiß und still ist, mit einer Wolkenschicht vor der Großen Sonne; das Meer war, solange wir auf Tsabeggan waren, ruhig gewesen, aber jetzt wogte es jenseits der Hafeneinfahrt. Ich verschob meine Wiederholungsübung mit der Lehrmaschine, nahm einen Musterbeutel und ging zum Vorgebirge, um Früchte zu sammeln. Da stand ein großer Ogodan oder Grünhutbaum unter einer bestimmten Felsspitze, der erntereif war, und ich wollte vor den Weljins und Flammenvögeln zu ihm gelangen.
    Es war ein tüchtiger Marsch den sanften Hang hinauf durch den Wald, dessen Bäume und Ranken sich in ihre natürlichen Lagen trennten. Hier lichteten sich die Spitzenblätter, hier tauchte hellgrünes Gestrüpp auf, hier wurden die Bergrotholzsträucher zahlreicher. Ich kam zu dem Baum und stellte fest, daß die Weljins mir zuvorgekommen waren, mehrere Familien von ihnen. Ich verscheuchte sie, und sie kletterten auf den hohen Laubbaldachin, von wo aus sie mich listig mit überreifen Früchten bewarfen.
    Ich füllte meinen Beutel und versteckte mich dann vor den Baumbewohnern. Ich wollte Sie mir einmal genau ansehen. Karin-Ru beharrte darauf, daß sie ihrer eigenen Gattung insofern glichen, als die Weibchen keine Beutel hatten. Ich versank in einen Traum, in dem Zeitalter auf Torin vergingen und die Weljins entfernte menschenähnliche Verwandte erzeugten. Ich dachte an die Welt von Torin und ihre Tiere. Wir hielten, wie es schien, weniger Haustiere als die Menschen in ihren Städten. Wir hatten keine Tragtiere – obwohl es in sehr fernen Zeiten irgendeinen Dickhäuter gegeben hatte, auf dem Krieger ritten.
    Bevor die Weljins wieder herunterkletterten, hörte ich jemanden durch den Wald zu dem Baum eilen. Nach dem Geräusch zu urteilen, dachte ich, es sei einer der Menschen. Ich rief „Hallo“ und erhielt eine lange atemlose Erwiderung: „Nahuu … Sei still!“
    Tsorl-U-Tsorl stieg zu mir hinauf; ich ging ihm entgegen, um ihm zu helfen. Er sah wild und sonderbar aus; er hatte die meisten unserer Geräte aus der Kleinen Fischbucht um seinen Körper geschlungen und sogar eine Decke übergeworfen, obwohl es ein heißer Tag war.
    „Abgesandter, was soll das heißen? Warum habt Ihr sie verlassen?“
    Mein erster Gedanke war, daß er sich mit Sam Fletcher gestritten hatte. Oder der Abgesandte war vielleicht so von seinen dunklen Privatgedanken erfüllt, daß er sich in einen Einsiedler verwandelt hatte.
    „Ich bin nicht verrückt, Yolo Horn“, sagte er, indem er meine Gedanken las.
    Er reichte mir Sam Fletchers kleines Ein-Aug-Sehglas.
    „Schau zum Hafen“, sagte er.
    „Ein Schiff! Dann ist also ihr Scott Gale zurückgekehrt?“
    Tsorl setzte sich, behängt mit den Siebensachen, die er mitgebracht hatte, in den Schatten des Ogodanbaums; er hatte einen sonderbaren niedergeschlagenen Blick. Ich starrte ihn verwundert an, und als ich mit dem Sehglas auf einen Felsen kletterte, widerhallte ein neues Geräusch über die Insel. Es war ein ungewöhnliches Geräusch, aber ich hatte es schon früher gehört … das schrille Heulen aus dem Schornstein eines Dampfers.
    Ich glitt um die Felsbrocken herum, bis ich den Hafen von Tsabeggan deutlich sehen konnte, ein stilles Wasserbecken innerhalb des alten Steinwerks der Tsatroys an der Landzunge. Ein Schiff war gerade in den Hafen eingelaufen, und ich erkannte sofort, daß es ein Dampfer von Mattroyan war. Aber es war weder die Ullo, noch die Telve, die beiden großen Handelsschiffe, mit denen der Kaufmann von Itsik sein Vermögen gemacht hatte. Es war sein berühmtes Flaggenschiff, das manche seinen Wahnsinn, sein protziges Ehrenschiff nannten. Es war die Esnar, die Kleine Sonne, die mit ihrem blitzenden Schornsteinmast, ihrer mit bunten Seilen geschmückten Reling, ihrer mit Glücksbändern und Seidenlilien und Wimpeln behangenen Takelung in den stillen Hafen dampfte.
    Erst erfüllte mich Stolz auf ganz Torin und Freude. Mattroyan der Kaufmann hatte irgendwie Scott Gale gefunden und brachte den Menschen nun zu seiner Familie heim.

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