Das Feuer des Daemons
Versehen, nicht meine Entscheidung, ehrlos zu leben. Ich möchte die Schuld begleichen.«
Er bemühte sich, Carling zuzuhören. Sie hatte recht, für ihn war es ein Frevel. Unter Dschinn verhielten sich nur Ausgestoßene auf solche Weise, aber Carling war keine Dschinniya. Und Dschinn konnten zwar Schaden nehmen, doch sie wurden nicht krank. Er konnte weder berechnen noch wirklich verstehen, welchen Einfluss das auf die Klarheit ihres Denkens gehabt haben könnte.
Auf der Website des Orakels wurde alles wunderbar erklärt. Khalil wusste nicht, wer die Inhalte erstellt hatte, aber die Seite, auf der es um die Spenden ging, war freundlich geschrieben und wohlformuliert. Ein kurzer Abschnitt erzählte die Geschichte des alten Gesellschaftsvertrags und nannte die Gründe, warum das Orakel diese Themen nicht selbst ansprach, wenn jemand zu einer Befragung zu ihm kam.
Diese Tradition ähnelte in vielerlei Hinsicht denen, die man in bestimmten indigenen Stämmen fand. Die Ältesten lehrten ihr Wissen und heilten Menschen, sie gaben jahrtausendealte, mündlich überlieferte Geschichte weiter und stellten oft den Raum für heilige Zeremonien zur Verfügung. Es lag in der Verantwortung der Menschen, sie zu unterstützen und zu ehren. Wie bei jeder Kirche und jeder sozialen Einrichtung kostete es Geld, die Zeit und den Raum für heilige Zeremonien bereitzustellen. Hypotheken, Mieten und Nebenkosten mussten bezahlt werden. Rasen musste gemäht, Feuerholz geschlagen, Grundstücke instand gehalten und Lebensmittel gekauft werden.
Wie der unbekannte Schreiber erklärte, waren die Befrager, wenn sie das Orakel aufsuchten und um Rat baten, oft in Trauer oder mit ihren Gedanken bei anderen wichtigen Belangen. Die Befragung selbst konnte ein überwältigendes Erlebnis sein, das oft ein Gefühl der Erleuchtung mit sich brachte. Daher war es wichtig, sich schon bei der Ankunft auf die Erfüllung des Vertrags vorbereitet zu haben.
So hübsch der Text auf der Seite auch formuliert war, dachte Khalil, war die zugrunde liegende Botschaft doch deutlich erkennbar: Vergiss deine Spende nicht, denn das Orakel wird sie nicht zur Sprache bringen.
Sein Respekt vor Grace wuchs. Es gehörte eine besondere Art Stärke dazu, seine Seite eines Handels unter allen Umständen einzuhalten. Die meisten Dschinn hielten sich mit solchen Erkenntnissen nicht auf. Wenn jemand seinen Teil eines Handels nicht einhielt, nahmen sie Rache.
Und als sich Khalil in der geräumigen Villa umsah, die in jeder Hinsicht äußerst luxuriös war, und sie mit der Wohnsituation von Grace und den Kindern verglich, konnte er seinen Zorn nicht ganz verrauchen lassen. Wenn es jemand besser wissen sollte, dann war es Carling, die sich so gut mit Tauschgeschäften, Abgeltung und Gleichgewichten auskannte, nicht nur, was die Kultur der Dschinn betraf, sondern auch in magischen Belangen.
Also beschloss er, die Sache zu erklären, den scharfen Ton in seiner Stimme jedoch nicht zu unterdrücken. »Was, glaubst du, bist du dem Orakel für die Befragung schuldig?«
Rune machte eine plötzliche Bewegung, seine Aggression ebbte ab. In Carlings langgezogenen Augen flackerte betroffene Erkenntnis auf. »Oh verdammt«, sagte sie. Rune und sie sahen einander an. Etwas regte sich zwischen ihnen, ein besorgter Schatten der jüngsten Vergangenheit.
»Wir verdanken dem Orakel alles«, sagte Rune leise.
»Sie ist bedürftig«, erklärte Khalil ihnen. »Ihr werdet ihr bezahlen, was ihr schuldig seid.«
»Natürlich werden wir das«, sagte Carling. »Und richte ihr unser aufrichtigstes Bedauern aus. Danke, dass du uns Bescheid gesagt hast, Khalil.« Irritiert sah sie ihn an. »Du stehst noch immer mit ihr in Kontakt? Ich … ich hätte nicht gedacht, dass das gut geht.«
»Sie ist meine Freundin.« Khalil verschränkte die Arme. »Wir gehen heute Abend aus.«
Stille erfüllte die Villa. Wie erstarrt standen Carling und Rune da.
Ein Detail hätte Khalil beinahe vergessen. Nachdenklich fügte er hinzu: »Ich soll etwas Zwangloses anziehen.«
Runes sonnengebräunte Haut verdunkelte sich drastisch. Er bekam einen plötzlichen Hustenanfall. »Entschuldige«, flüsterte er. »Ich brauche einen Schluck Wasser.«
Khalil und Carling sahen Rune hinterher, der mit großen Schritten aus dem Zimmer eilte. Carlings Miene war starr, als sie ihrem Geliebten nachsah, doch in ihren Augen lag, wie Khalil meinte, ein merkwürdig schmerzlicher Ausdruck, als wäre sie betrogen worden.
Carling wandte sich
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