Das Feuer Kabals
die erste Wache und lehnte sich mit dem Rücken an die sandige Wand unterhalb der zerstörten Straßenoberfläche. Julana breitete eine Decke aus und legte sich auf die Seite, den Rücken ihm zugewandt. Er sah die Knochen ihres Rückgrats unter dem dünnen Stoff ihrer Bluse hervortreten. Sie hatte die Beine angezogen und sah aus, wie ein verlorenes Kind. Er ließ sie schlafen und blieb die Nacht über wach. Am nächsten Morgen erwachte sie und rieb sich die Augen, als Mehmood ein Feuer entfachte. Er kochte Wasser in einem kleinen Kessel und hatte zwei winzige, mit buntem Glas verzierte Teegläser bereitgestellt.
Julana betrachtete die gläsernen Kunstwerke, als würde sie nicht glauben können, dass diese existierten. »Trägst du die Dinger immer mit dir rum?«
Mehmood lächelte. »Wann immer ich kann. Tee?«
Julana nickte und Mehmood seufzte erleichtert. Endlich trank jemand einen Tee mit ihm. Julana verschwand kurz im Wald und nahm ein paar Dinge aus ihrem Rucksack, als sie zurück war. Sie ließ völlig ungeniert die Kleidung fallen und tauchte in den See. Mehmood hantierte mit den Teegläsern und dem Kessel herum, seinen Blick stur auf das Feuer gerichtet. Er hatte genug nackte Frauen gesehen, um davon nicht überrascht zu sein, aber er war es trotzdem. Er hörte das Plätschern des Wassers und warf einen unschuldigen Blick in den Himmel und ließ seine Augen wie zufällig in ihre Richtung wandern. Julana wusch sich, schaumiges Wasser mechanisch über ihren dürren Körper schrubbend. Der Anblick ernüchterte Mehmood. Es war etwas Eigenartiges in der Art, wie sie sich ohne Feingefühl reinigte. Beinahe, als ob sie ihren Körper verachtete. Er fühlte sich unwohl dabei, sie zu beobachten und setzte sich mit dem Rücken zum See in den Sand. Als Julana fertig und wieder bekleidet war, setzte sie sich neben ihn. Das Wasser kochte inzwischen und Mehmood ließ es noch einen Augenblick abkühlen, bevor er zwei Kügelchen der getrockneten Teekräuter in die Gläser warf. Er goss langsam das Wasser darauf, jede Bewegung mit großer Sorgfalt ausführend. Julana beobachtete ihn stirnrunzelnd und verharrte abwartend. Nach geraumer Wartezeit, die sie schweigend verbrachten, ergriff er das Glas mit beiden Händen, drehte es einmal in seiner ausgestreckten Handfläche und übergab es mit der traditionellen Grußformel seines Stammes.
Julana neigte unsicher das Haupt und nahm behutsam das zierliche Glas in die Finger. Sie wartete, bis Mehmood einen unbedeutenden Schluck genommen hatte, und nippte dann selbst daran. Er lächelte zufrieden.
»Es ist gleichgültig, an welchem Ort man ist, etwas Friede und Zivilisation begleiten einen, wenn man einen gepflegten Tee trinken kann«, sagte er mit einem glücklichen Seufzer.
Julana starrte ihn an und lachte los, hielt sich dann die Hand vor den Mund, einen erschrockenen Ausdruck auf dem Gesicht, weil sie wohl annahm, sie hatte ihn beleidigt. Mehmood musterte sie missmutig. Sie biss sich auf die Lippen, die sich immer noch amüsiert verzogen. Er setzte zu einer Erklärung an, die sie von den Jahrtausende alten Teeriten seiner Vorfahren überzeugen würde, und wurde jäh von einem eigentümlichen Lärm unterbrochen. Sie sprangen auf und sahen in den morgendlichen Himmel hinauf. Der Tee tropfte aus ihren Gläsern.
»Bei den Zitzen der Wolfsmutter!«, rief Julana und verschüttete den Rest des heißen Getränks.
Mehmood starrte mit offenem Mund durch die dünne Wolkendecke. Ein titanisches Gebilde, in gelbe Flammen gehüllt und einem bizarren Gerippe gleichend, schwebte über ihnen dahin. Ein Brummen und ein dumpfer Lärm gingen von dem unmöglichen Objekt aus, das über die Insel Loros glitt. Der Dschungel und alle Tiere darin schwiegen, doch der Boden vibrierte unter ihren Sohlen. Der Spiegel der Wasseroberfläche trübte sich, als das Wasser des Sees von den Schwingungen in der Luft ergriffen wurde. Ihre Augen folgten der schwarzen Masse, die immer tiefer sank, aber sich allmählich in Richtung Süden entfernte.
»Es zieht nach Iidrash! Was war das?«
Julana schüttelte den Kopf, um alle Worte verlegen.
Mehmood wirbelte herum. »Wir brechen augenblicklich auf! Ich muss sofort nach Iidrash.«
Julana packte zögernd ihre Sachen.
Mehmood starrte immer wieder in den Himmel und zeigte aufgeregt rufend in die Ferne, als ein weiteres der riesenhaften Gebilde zu erkennen war. Es war weit entfernt, aber das Geräusch drang bis zu ihnen.
»Was sind das für Dinger? Was
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