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Das Feuer von Innen

Das Feuer von Innen

Titel: Das Feuer von Innen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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Lichtfasern sich vervielfachten. Sie platzten auf, und heraus kamen Millionen anderer Fasern. Aber die Fasern, so faszinierend sie waren, beeinträchtigten irgendwie nicht meine normale Sicht. Da waren viele Menschen, die in die Kirche gingen. Dann sah ich sie nicht mehr. Da waren auch einige Männer und Frauen, die um unsere Bank standen. Ich wollte meine Augen auf sie richten, aber statt dessen bemerkte ich, wie eine der strahlenden Fasern sich plötzlich auswölbte. Sie verwandelte sich in eine Feuerkugel von etwa zwei Metern Durchmesser. Sie rollte auf mich zu. Mein erster Impuls war, mich aus dem Weg zu wälzen. Noch bevor ich einen Muskel rühren konnte, stieß die Kugel mich an. Ich spürte es so deutlich, als hätte mich jemand sanft in den Magen geboxt. Gleich darauf traf mich der nächste Feuerball, diesmal mit erheblich größerer Wucht, und dann schlug mich Don Juan sehr fest mit der flachen Hand auf die Wange. Ich sprang auf und verlor die Lichtfasern und die Ballons, die mich angestoßen hatten, aus dem Blick.
    Don Juan sagte, daß ich meine erste kurze Begegnung mit den Emanationen des Adlers erfolgreich bestanden hätte, daß aber ein paar Stöße des Schwenkers meine Lücke gefährlich geöffnet hätten. Die Kugeln, die mich trafen, so sagte er, bezeichne man als die rollende Kraft oder der Schwenker. Wir waren zu seinem Haus zurückgekehrt, auch wenn ich mich nicht daran erinnern konnte, wann oder wie. Stundenlang hatte ich in einer Art Halbschlaf gelegen. Don Juan und die anderen Seher seiner Gruppe hatten mir große Mengen Wasser zu trinken gegeben. Sie hatten mich auch in kurzen Abständen in einen eiskalten Wasserbottich untergetaucht.
    »Waren diese Fasern, die ich sah, die Emanationen des Adlers?« fragte ich Don Juan.
    »Ja, aber du hast sie nicht wirklich gesehen, antwortete er. »Du fingst gerade an zu sehen, als der Schwenker dich unterbrach. Hättest du einen Augenblick länger verharrt, dann hätte er dich zersprengt.«
    »Was ist eigentlich der Schwenker?«
    »Es ist eine Kraft, die von den Emanationen des Adlers ausgeht«, sagte er. »Eine unermüdliche Kraft, die jeden Augenblick unseres Lebens gegen uns anstürmt. Sie ist tödlich, wenn wir sie sehen, aber sonst, in unserem gewöhnlichen Leben, bemerken wir sie gar nicht, weil wir diesen Schutzschild haben. Wir haben Interessen, die uns fesseln und unser Bewußtsein beschäftigen. Wir sorgen uns dauernd über unsere Stellung, um unseren Besitz. Diese Schilde halten den Schwenker aber nicht ab - sie halten lediglich uns davon ab, ihn direkt zu sehen, und schützen uns so davor, verletzt zu werden durch unsere Angst, die Feuerkugeln an uns auftreffen zu sehen. Die Schilde sind eine große Hilfe für uns, und zugleich ein großes Hemmnis. Sie schenken uns Frieden, und täuschen uns gleichzeitig. Sie geben uns ein falsches Gefühl der Sicherheit.«
    Er verkündete mir, es werde ein Augenblick in meinem Leben kommen, da ich ohne einen solchen Schild dastehen würde, ununterbrochen dem Schwenker ausgeliefert. Dies sei eine obligatorische Stufe im Leben eines Kriegers, sagte er, und man bezeichne es als das Verlieren der menschlichen Form. Ich bat ihn, mir ein für allemal zu erklären, was denn die menschliche Form sei und was es bedeute, sie zu verlieren. Als menschliche Form, so sagte er, bezeichneten die Seher die unwiderstehliche Ausrichtungs-Kraft jener Emanationen, die durch die Glut der Bewußtheit genau an der Stelle entflammt würden, wo normalerweise der Montagepunkt des Menschen fixiert sei. Dies sei die Kraft, die uns zu Personen mache. Eine Person zu sein, bedeute also, gezwungen zu sein, sich mit dieser Kraft der Ausrichtung zu verbinden, und folglich mit genau der Stelle verbunden zu sein, von der sie ausgehe. Dabei gleite bei einem Krieger, aufgrund seiner Aktivitäten, irgendwann der Montagepunkt nach links. Dies sei eine permanente Verschiebung, die zu ungewöhnlicher Überheblichkeit, ja sogar Unbeherrschtheit führen könne. Dieses Abgleiten des Montagepunktes bewirke dann eine neue Ausrichtung der Emanationen. Dies sei der Anfang einer Reihe von größeren Verschiebungen. Die Seher, sagte Don Juan, bezeichneten diese anfängliche Verschiebung zutreffend als Verlieren der menschlichen Form, denn es sei eine unvermeidliche Verlagerung des Montagepunktes, fort von seiner ursprünglichen Lage, was wiederum den unwiederbringlichen Verlust unserer Ausrichtung an jener Kraft bedinge, die uns zur Person macht.
    Ich bat ihn,

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