Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Feuer von Innen

Das Feuer von Innen

Titel: Das Feuer von Innen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
Vom Netzwerk:
unvorstellbare Ewigkeit streifen.«
    Ich bat ihn, dies weiter auszuführen, aber er weigerte sich. Unvermittelt wechselte er das Thema.
    »Und noch etwas gibt es, was du nicht verstanden hast an der Tatsache, daß die Erde ein Lebewesen ist«, sagte er. »Genaro, dieser fürchterliche Genaro, wird dir einen Stoß geben, bis du es verstanden hast.«
    Beide lachten. Genaro gab mir einen spielerischen Stoß und blinzelte mir zu, während er die Worte nachsprach: »Ich bin fürchterlich.
    »Genaro ist ein schlimmer Leuteschinder, hart und rücksichtslos«, fuhr Don Juan fort. »Er schert sich keinen Deut um deine Angst und stößt dich rücksichtslos vorwärts. Wenn ich nicht wäre ...«
    Er bot das perfekte Bild eines gütigen, rücksichtsvollen alten Herrn. Er schlug die Augen nieder und seufzte. Die beiden brachen in brüllendes Gelächter aus.
    Als sie sich wieder beruhigt hatten, sagte Don Juan, daß Genaro mir zeigen werde, was ich noch nicht verstanden hätte - nämlich daß es die höchste Bewußtheit der Erde sei, die es uns ermögliche, in andere große Bänder der Emanationen überzuwechseln.
    »Wir lebenden Wesen sind Wahrnehmende«, sagte er. »Und wir nehmen wahr, weil gewisse Emanationen im Innern des menschlichen Kokon sich an gewissen Emanationen außerhalb ausrichten. Ausrichtung ist also der geheime Eingang, und der Schub der Erde ist der Schlüssel dazu.
    Genaro will, daß du den Augenblick der Ausrichtung beobachtest. Beobachte ihn!«
    Genaro erhob sich wie ein Variete-Künstler und machte eine Verbeugung, dann zeigte er uns, daß er nichts im Ärmel verborgen oder in den Hosenbeinen versteckt hatte. Er zog die Schuhe aus und schüttelte sie, um zu beweisen, daß auch dort nichts untergebracht war.
    Don Juan lachte unbeschwert. Genaro bewegte die Hände auf und ab. Die Bewegung bewirkte augenblicklich eine Fixierung bei mir. Ich merkte, daß wir drei plötzlich aufstanden und den Platz verließen, ich in der Mitte zwischen den beiden. Wie wir so dahingingen, verlor ich mein peripheres Gesichtsfeld. Ich konnte keine Häuser oder Straßen mehr unterscheiden. Ich sah auch keine Berge oder irgendwelche Vegetation. Irgendwann merkte ich, daß ich Don Juan und Genaro aus den Augen verloren hatte; statt dessen sah ich zwei leuchtende Faserbündel, die sich neben mir auf und ab bewegten.
    Für einen Moment geriet ich in Panik, die ich aber gleich wieder unter Kontrolle brachte. Ich hatte das sonderbare, aber mir wohlbekannte Gefühl, ich selbst und doch nicht ich selbst zu sein. Dennoch registrierte ich alles um mich her, und zwar mittels einer fremdartigen und zugleich ganz vertrauten Fähigkeit. Das Bild der Welt stürmte auf mich ein - alles zugleich. Mein ganzes Ich sah. Die Gesamtheit dessen, was ich in meinem normalen Bewußtseinszustand als meinen Körper bezeichne, vermochte Sinnesreize aufzunehmen, gleich wie ein riesiges Auge, das alles registrierte. Und was ich als erstes registrierte, nachdem ich die» zwei Lichtblasen gesehen hatte, war eine klare, lilarote Welt, bestehend aus irgend etwas, das wie farbige Paneele und Baldachine! aussah. Überall waren flache, bildschirmförmige Paneele von unregelmäßigen konzentrischen Kreisen. Ich spürte einen starken Druck von allen Seiten, und dann hörte ich eine Stimme in meinem Ohr. Ich sah. Die Stimme sagte, daß der Druck durch den Akt meiner Bewegung bedingt sei. Ich bewegte mich zusammen mit Don Juan und Genaro. Ich empfand einen schwachen Ruck, als ob ich eine Papierbarriere durchbrochen hätte, und fand mich in einer leuchtenden Welt wieder. Ein Licht leuchtete von allen Seiten, aber es strahlte nicht. Es war wie eine Sonneneruption hinter weißen, durchscheinenden Wolken. Ich blickte direkt in die Quelle des Lichts. Es war ein schönen Anblick. Da war kein festes Land zu sehen, sondern nur faserige weiße Wolken und Licht. Und wir gingen auf den Wolken. Dann nahm mich wieder etwas gefangen. Ich bewegte mich im Gleichschritt mit den beiden Lichtblasen neben mir. Allmählich verloren sie ihren Glanz, wurden immer dunkler, und schließlich waren es Don Juan und Genaro. Wir gingen auf einer verlassenen Nebenstraße abseits vom großen Platz. Dann kehrten wir um.
    »Genaro hat dir geholfen, deine Emanationen an jenen allgemeinen Emanationen auszurichten, die zu einem anderen Band gehören«, sagte Don Juan zu mir. »Die Ausrichtung muß ein ganz friedlicher, unmerklicher Vorgang sein. Kein Wegfliegen, kein großer Wirbel. Die Nüchternheit, die man

Weitere Kostenlose Bücher