Das Feuer von Innen
kurzer Pause fügte er hinzu, daß man, um den Kokon des Menschen zu sehen, die Leute von hinten anstarren müsse, während sie sich von einem entfernten. Es sei nutzlos, Menschen von Angesicht zu Angesicht anzustarren, weil die Vorderseite des eiförmigen Kokon des Menschen einen Schutzschild habe, den die Seher als Vorderplatte bezeichneten. Dieser sei ein beinah undurchdringlicher, unnachgiebiger Schild, der uns unser Leben lang vor den Angriffen einer besonderen, von den Emanationen selbst ausgesandten Kraft schütze.
Ich solle auch nicht überrascht sein, sagte er, wenn mein Körper sich starr anfühlen würde, wie gefroren; ich würde mich fühlen, sagte er, wie jemand, der in einem Zimmer steht und durchs Fenster auf die Straße blickt. Das Wesentliche dabei sei die Geschwindigkeit, denn die Leute würden sehr schnell an einem Seh-Fenster vorbeigehen. Dann empfahl er mir, meine Muskeln zu entspannen und meinen inneren Dialog abzuschalten und meinen Montagepunkt unter dem Bann des inneren Schweigens fortgleiten zu lassen. Er forderte mich auf, mir einen behutsamen, aber festen Schlag zu versetzen, an der rechten Seite, zwischen Hüftknochen und Brustkorb.
Dies tat ich dreimal, und dann schlief ich fest. Es war ein sehr eigenartiger Schlafzustand, Mein Körper schlief, und doch war mir alles, was stattfand, völlig bewußt. Ich hörte Don Juan zu mir sprechen, und ich konnte jedem seiner Sätze folgen, als ob ich wach wäre, und doch konnte ich meinen Körper nicht bewegen.
Don Juan sagte, es werde gleich ein Mann an meinem SehFenster vorübergehen, und ich solle versuchen, ihn zu sehen. Ich bemühte mich vergeblich, meinen Kopf zu wenden, und dann tauchte eine eiförmige Figur auf. Sie strahlte. Ich war ergriffen von diesem Anblick, und noch bevor ich mich von meiner Überraschung erholen konnte, war sie verschwunden. Sie schwebte davon, leicht auf und ab hüpfend.
All dies war so plötzlich und schnell geschehen, daß ich ungeduldig und ärgerlich wurde. Ich merkte, daß ich aufzuwachen begann. Wieder sprach Don Juan auf mich ein und empfahl mir, mich zu entspannen. Er sagte, ich hätte keine Zeit und auch nicht das Recht, ungeduldig zu werden. Plötzlich tauchte wieder ein leuchtendes Wesen auf und ging vorbei. Es schien aus einem weißen fluoreszierenden FaserPlüsch zu bestehen. Don Juan flüsterte mir ins Ohr, daß meine Augen, wenn ich dies wollte, alles verlangsamen könnten, auf das sie sich einstellten. Dann machte er mich wieder auf einen sich nähernden Menschen aufmerksam. Gleich darauf erkannte ich, daß da zwei Stimmen waren. Die eine, die ich eben gehört hatte, war dieselbe, die mich ermahnt hatte, geduldig zu bleiben. Das war Don Juans Stimme. Die andere, die mir befahl, meine Augen einzusetzen, um die Bewegungen zu verlangsamen, war die Stimme des Sehens. An diesem Nachmittag sah ich zehn leuchtende Wesen in Zeitlupenbewegung. Die Stimme des Sehens leitete mich, und ich konnte an ihnen alles beobachten, was Don Juan mir über die Glut der Bewußtheit erzählt hatte. Da war das vertikale Band mit einem stärkeren, bernsteinfarbenen Leuchten auf der rechten Seite dieser eiförmigen leuchtenden Wesen, und es machte etwa ein Zehntel vom Gesamtvolumen des Kokon aus. Dies sei das menschliche Band der Bewußtheit, sagte die Stimme. Die Stimme machte mich auf einen Fleck im Band des Menschen aufmerksam, einen Fleck mit intensivem Leuchten. Er befand sich hoch oben an den länglichen Figuren, beinah am Scheitelpunkt des Kokon, auf seiner Oberfläche. Die Stimme sagte, dies sei der Montagepunkt. Wenn ich ein solches leuchtendes Wesen im Profil sah, also mit seitlichem Blick auf seinen Körper, dann wirkte seine eiförmige Gestalt wie ein riesengroßes, asymmetrisches und schrägstehendes Yoyo, oder wie ein fast runder, auf der Seite liegender Topf mit Deckel. Jener Teil, der wie ein Deckel aussah, war die Vorderplatte; sie nahm etwa ein Fünftel der Gesamtstärke des Kokon ein.
Ich hätte gerne weitergemacht und diese Wesen gesehen, aber Don Juan sagte, ich solle nun die Leute von Angesicht zu Angesicht anstarren und meinen Blick aushallen, bis ich die Schranke durchbrechen und die Emanationen sehen würde.
Ich befolgte seinen Befehl. Beinah im selben Moment sah ich einen hellstrahlenden Bogen lebendiger, unwiderstehlicher Lichtfasern. Es war ein betäubender Anblick, der mich sofort aus dem Gleichgewicht brachte. Ich fiel seitwärts auf das Straßenpflaster. Von dort sah ich, wie die betörenden
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