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Das Feuer von Innen

Das Feuer von Innen

Titel: Das Feuer von Innen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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bevorstand, legte er einen seiner vielen - tadellos geschneiderten -dreiteiligen Anzüge an, und dann glich er allem anderen als dem alten Indianer, den ich kannte. Ich hatte stets über die weltliche Eleganz seiner Metamorphose gestaunt.
    »Ein Nagual ist jemand, der so flexibel ist, daß er alles mögliche sein könnte«, sagte er. »Ein Nagual zu sein, bedeutet unter anderem, daß man sich nicht auf einen Standpunkt festlegt. Merke dir das - wir werden immer wieder darauf zurückkommen.« Und wir waren immer wieder darauf zurückgekommen, in jedem nur denkbaren Zusammenhang. Tatsächlich schien es, als legte er sich auf nichts fest. Aber während seiner Abwesenheit von Oaxaca kamen mir doch gelinde Zweifel. Plötzlich ging mir auf, daß ein Nagual doch etwas haben mag, worauf er sich festlegt: die Beschreibung des Adlers und seiner Emanationen verlangte, meiner Meinung nach, eine leidenschaftliche Festlegung. Diese Frage versuchte ich einigen von Don Juans Gefährten vorzulegen, aber sie wichen meinen Sondierungen aus. Hinsichtlich solcher Diskussionen, so sagten sie mir, sei ich in einer Art Quarantäne, bis Don Juan seine Erklärung abgeschlossen hätte. Kaum war er zurückgekehrt, setzten wir uns zum Gespräch, und ich stellte ihm diese Frage.
    »Diese Wahrheiten sind nichts, was man leidenschaftlich verfechten müßte«, antwortete er. »Falls du glaubst, ich wollte sie hier verfechten, so irrst du dich. Diese Wahrheiten wurden formuliert zur Freude und Erleuchtung der Krieger, nicht um sie mit irgendwelchen Besitzgefühlen zu umgeben. Als ich dir sagte, daß ein Nagual sich nicht festzulegen braucht, meinte ich unter anderem, daß ein Nagual keine fixen Ideen hat.«
    Dann allerdings, sagte ich zu ihm, sei ich seinen Lehren untreu geworden. Denn die Beschreibung des Adlers und seiner Emanationen sei inzwischen bei mir eine fixe Idee. Ich konnte mich nicht beruhigen über die Erhabenheit dieser Vorstellung. »Es ist keine bloße Vorstellung«, sagte er. »Es ist eine Tatsache. Und eine verdammt erschreckende Tatsache, falls du meine Meinung hören willst. Die neuen Seher schwelgten nicht einfach in Vorstellungen.«
    »Aber was für eine Kraft ist denn der Adler?« fragte ich.
    »Ich weiß nicht, wie ich darauf antworten soll. Der Adler ist für die Seher etwas so Reales, wie Schwerkraft und Zeit es für dich sind - und genauso abstrakt und unvorstellbar.« »Warte mal, Don Juan. Dies sind abstrakte Begriffe, aber sie beziehen sich doch auf reale Phänomene, die verifiziert werden können. Ganze Wissenschaften befassen sich mit nichts anderem.«
    »Der Adler und seine Emanationen sind ebenso verifizierbar«, entgegnete Don Juan. »Und genau damit befaßt sich die Wissenschaft der neuen Seher.«
    Ich bat ihn, mich aufzuklären, was denn die Emanationen des Adlers wären.
    Die Emanationen des Adlers, sagte er, seien ein unwandelbares Ding an sich, das alles Existierende einbegreife, das Erkennbare wie das Unerkennbare.
    »Was die Emanationen des Adlers wirklich sind, kann man nicht mit Worten beschreiben«, fuhr Don Juan fort. »Ein Seher muß sie erleben.«
    »Hast du selbst sie erlebt, Don Juan?«
    »Gewiß habe ich das, und doch kann ich dir nicht sagen, was sie sind. Sie sind eine Erscheinung, fast so etwas wie eine feste Masse, ein Druck, der ein verwirrendes Gefühl erzeugt.
    Man kann sie nur flüchtig erspähen, wie man auch den Adler selbst nur flüchtig erspähen kann.«
    »Würdest du sagen, Don Juan, daß der Adler der Ursprung der Emanationen ist?«
    »Selbstverständlich ist der Adler der Ursprung seiner Emanationen.«
    »Ich meinte, ob er sichtbar der Ursprung ist.« »Nichts ist am Adler sichtbar. Der ganze Körper eines Sehers spürt den Adler. Es gibt etwas in uns allen, das uns befähigt, ihn mit unserem ganzen Körper zu erleben. Die Seher haben eine einfache Erklärung für das Sehen des Adlers: Weil der Mensch aus den Emanationen des Adlers besteht, braucht der Mensch nur auf seine eigenen Elemente zu achten. Das Problem entsteht erst durch das Bewußtsein des Menschen; sein Bewußtsein verstrickt und verwirrt sich. Im entscheidenden Augenblick, wenn es einfach darum geht, daß die Emanationen sich bemerkbar machen, fühlt sich das Bewußtsein des Menschen gezwungen, diesen Vorgang zu interpretieren. Das Ergebnis ist ein Bild des Adlers und der Emanationen des Adlers. Aber es gibt keinen Adler und keine Emanationen des Adlers. Was es dort draußen gibt, ist etwas, das kein Lebender begreifen

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