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Das Feuer von Innen

Das Feuer von Innen

Titel: Das Feuer von Innen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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Emanationen gewahrten. Sie erkannten, daß alle Lebewesen mit den Emanationen des Adlers arbeiten müssen, ohne zu wissen, was sie eigentlich sind. Sie erkannten auch, daß die Organismen darauf eingerichtet sind, ein bestimmtes Spektrum dieser Emanationen zu erfassen und daß jeder Spezies ein bestimmtes Spektrum von Emanationen zukommt. Die Emanationen üben einen starken Druck auf die Organismen aus, und mittels dieses Drucks bauen die Organismen ihre wahrnehmbare Welt auf.
    »Wir als Menschen«, sagte Don Juan, »arbeiten mit diesen Emanationen und interpretieren sie als Realität. Doch was der Mensch empfindet, ist ein so kleiner Teil der Emanationen des Adlers, daß es lächerlich wäre, sich groß auf unsere Wahrnehmungen zu verlassen, und doch ist es uns nicht möglich, unsere Wahrnehmungen zu ignorieren. Dies mußten die neuen Seher auf die harte Art lernen - und unter dem Risiko unabsehbarer Gefahren.«
    Don Juan saß an seinem gewohnten Platz in dem großen Zimmer. Normalerweise gab es keine Möbel in diesem Raum. Die Leute saßen auf Matten am Boden. Aber Carol, die Nagual-Frau, hatte es dennoch fertiggebracht, ihn mit sehr bequemen Sesseln auszustatten - für die Zusammenkünfte, bei denen wir beide abwechselnd Don Juan aus den Werken spanisch schreibender Dichter vorlasen.
    »Gib genau acht auf das, was wir tun«, sagte er, kaum daß ich Platz genommen hatte. »Wir sprechen über die Beherrschung des Bewußtseins. Und die Wahrheiten, über die wir sprechen, sind die Prinzipien, die zu dieser Kenntnis führen.« Bei seinen Lehren für die rechte Seite, fuhr er fort, habe er versucht, diese Prinzipien meinem NormalBewußtsein zu demonstrieren, und zwar mit Hilfe Genaros, eines seiner Seher-Gefährten. Und Genaro habe mit meinem Bewußtsein gespielt - mit allem Humor und aller Respektlosigkeit, für die die neuen Seher bekannt seien.
    »Genaro sollte hier sitzen und dir vom Adler erzählen«, sagte er. »Nur, daß seine Darstellung allzu respektlos wäre. Er findet, die Seher, die jene Kraft als den Adler bezeichneten, waren wohl ziemlich dumm, oder große Spaßmacher, weil Adler ja nicht nur Eier legen, sondern auch Schmutz machen.« Don Juan lachte und meinte, er fände Genaros Bemerkung tatsächlich treffend und zum Lachen. Wäre den neuen Sehern die Aufgabe zugefallen, den Adler zu beschreiben, die ganze Beschreibung wäre wahrscheinlich ziemlich spaßig ausgefallen. Ich erzählte Don Juan, daß ich den Adler einerseits als poetisches Bild auffaßte, und als solches gefalle er mir. Andererseits aber faßte ich die Beschreibung wörtlich auf, und das machte mir angst.
    »Die Angst ist eine der stärksten Kräfte im Leben des Kriegers«, sagte er. »Sie spornt an zu lernen.«
    Er erinnerte mich daran, daß die Beschreibung des Adlers immerhin von den alten Sehern stamme. Die neuen Seher hätten nichts mehr im Sinn mit all solchen Beschreibungen, Gleichnissen und Vermutungen. Sie wollten unmittelbar zum Ursprung der Dinge vorstoßen und nähmen grenzenlose Gefahren auf sich, um dorthin zu gelangen. Wohl sähen sie die Emanationen des Adlers, aber auf die Beschreibung des Adlers wollten sie sich nicht einlassen. Sie fänden, es koste schon zuviel Energie, den Adler zu sehen, und immerhin hätten die alten Seher für ihr flüchtiges Erschauen des Unerkennbaren einen hohen Preis zahlen müssen.
    »Wieso verfielen die alten Seher auf solch eine Idee wie die Beschreibung des Adlers?« fragte ich.
    »Zum Zweck der Unterweisung brauchten sie wenigstens einige Richtlinien, was das Unerkennbare betraf«, erwiderte er. »Sie fanden sie in einer skizzenhaften Beschreibung jener Kraft, die alles Seiende regiert. Die Emanationen aber ließen sie aus, denn die Emanationen lassen sich nicht in einer gleichnishaften Sprache schildern. Einzelne Seher fühlen sich vielleicht gedrängt, ihre Kommentare zu gewissen Emanationen abzugeben, aber dies wird immer eine private Überzeugung bleiben. Mit anderen Worten, es gibt keine entsprechende Darstellung der Emanationen, wie es sie für den Adler gibt.«
    »Die neuen Seher dachten offenbar sehr abstrakt«, warf ich ein. »Sie hören sich an wie moderne Philosophen.« »Nein. Die neuen Seher waren ungemein praktisch denkende Leute«, erwiderte er. »Sie befaßten sich nicht mit dem Ausspinnen rationaler Theorien.
    Die abstrakten Denker - das waren die alten Seher. Sie errichteten gewaltige Gebäude der Abstraktion, wie sie ihnen und ihrer Zeit entsprachen. Und genau wie die

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