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Das Feuer von Innen

Das Feuer von Innen

Titel: Das Feuer von Innen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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die auszurichten er mir geholfen habe.
    »Stell es dir folgendermaßen vor«, sagte er lächelnd.
    »Vielleicht wirst du dich niemals an dieses Gespräch erinnern können, das wir gerade führen und das dir in diesem Moment so selbstverständlich erscheint.
    Dies ist wahrhaftig das Mysterium der Bewußtheit. Der Mensch ist erfüllt von diesem Mysterium; wir sind erfüllt von Dunkelheit, von unerklärlichen Dingen. Es wäre verrückt, uns selbst anders sehen zu wollen. Erniedrige also nicht das Mysterium des Menschen, indem du dich bemitleidest oder indem du es rational zu verstehen suchst. Verachte lieber die Dummheit des Menschen, indem du sie zu verstehen suchst. Aber entschuldige dich für keins von beiden; wir brauchen beides.
    Eines der großen Manöver der Pirscher besteht darin, das Mysterium gegen die Dummheit in jedem von uns auszuspielen.«
    Die Übungen des Pirschens, erklärte er, seien kein Anlaß, darüber zu frohlocken; tatsächlich seien sie nachgerade anrüchig. Die neuen Seher, die dies wußten, hätten erkannt, daß es für einen jeden von Nachteil wäre, die Prinzipien des Pirschens in normalem Bewußtseinszustand anzuwenden oder auch nur zu diskutieren.
    Ich versuchte, ihn hier auf einen Widerspruch aufmerksam zu machen. Einerseits hatte er gesagt, daß es dem Krieger unmöglich sei, in der Welt zu handeln, solange er sich im Zustand gesteigerter Bewußtheit befinde; und andererseits hatte er gesagt, daß das Pirschen lediglich eine besondere Art des Umgangs mit anderen Menschen sei. Diese beiden Aussagen, so schien es mir, widersprachen sich.
    »Wenn ich sagte, daß man das Pirschen nicht in normalem Bewußtseinszustand lehren sollte, so meinte ich lediglich die Unterweisung eines Nagual«, sagte er. »Der Zweck des Pirschens ist ein zweifacher: erstens, den Montagepunkt so gleichmäßig und so sicher zu bewegen, wie dies nur möglich ist - und nichts ist dafür so gut geeignet wie das Pirschen; und zweitens, die Prinzipien des Pirschens so tief zu verankern, daß das menschliche Inventar umgangen wird, da es eine ganz natürliche Reaktion wäre, etwas der Vernunft anrüchig erscheinendes abzulehnen und zu verurteilen.«
    Ich sagte ihm, daß ich mir, ehrlich, nicht anmaßen würde, solche Dinge zu verurteilen oder abzulehnen. Er lachte und meinte, ich bilde gewiß keine Ausnahme und würde reagieren wie jeder andere, wenn ich erst einmal von den Taten eines Meister-Pirschers hören würde, wie sein Wohltäter, der Nagual Julian einer gewesen sei.
    »Ich übertreibe nicht, wenn ich dir sage, daß der Nagual Julian der überragendste Pirscher war, dem ich jemals begegnet bin«, sagte Don Juan. »Du hast schon durch die anderen von seiner Geschicklichkeit im Pirschen gehört. Aber ich habe dir noch nie erzählt, was er mit mir gemacht hat.«
    Ich wollte ihn darauf hinweisen, daß ich von niemandem etwas über den Nagual Julian erfahren hätte, aber gerade als ich meinen Einwand vorbringen wollte, überkam mich ein seltsames Gefühl der Unsicherheit. Don Juan schien sofort zu merken, was ich empfand. Er kicherte vergnügt vor sich hin.
    »Du kannst dich nicht daran erinnern, weil der Wille dir noch nicht zu Gebote steht«, sagte er. »Es bedarf eines Lebens der Makellosigkeit und eines großen Überschusses an Energie, bevor der Wille dir vielleicht diese Erinnerungen erschließt.
    Ich werde dir die Geschichte erzählen, wie der Nagual Julian sich mir gegenüber verhielt, als ich ihm zum erstenmal begegnete. Falls du ihn verurteilst und sein Verhalten anrüchig findest, während du dich im Zustand gesteigerter Bewußtheit befindest, dann bedenke nur, wie empört du in normalem Bewußtseinszustand über ihn wärest.«
    Ich protestierte und meinte, er mache mich voreingenommen. Er versicherte mir, er wolle mir mit seiner Geschichte nur die Art und Weise veranschaulichen, wie Pirscher vorgingen, und auch die Gründe, warum sie es täten.
    »Der Nagual Julian war der letzte der Pirscher aus alter Zeit«, fuhr er fort. »Ein Pirscher war er weniger durch die Umstände seines Lebens, sondern aufgrund der besonderen Veranlagung seines Charakters.«
    Die neuen Seher, so erklärte Don Juan, hätten gesehen, daß es zwei Hauptgruppen von Menschen gebe: diejenigen, die sich um ihren Nächsten kümmerten, und diejenigen, die dies nicht täten. Zwischen diesen beiden Extremen sahen sie unendlich viele Mischungen der beiden Typen. Der Nagual Julian gehörte zu jener Gruppe von Menschen, die sich nicht um den

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