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Das Feuer von Innen

Das Feuer von Innen

Titel: Das Feuer von Innen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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Nächsten kümmern. Don Juan zählte sich zu der entgegengesetzten Gruppe. »Aber, hast du mir denn nicht erzählt, daß der Nagual Julian großzügig war, daß er sein letztes Hemd vom Leibe verschenken konnte?« fragte ich.
    »Gewiß war er das«, antwortete Don Juan. »Er war nicht nur großzügig, er war auch von ganz bezaubernder und gewinnender Art. Und immer interessierte er sich für jeden, der in seine Nähe kam. Er war freundlich und aufgeschlossen und verschenkte alles, was er besaß - an jeden, der es brauchte, oder auch an jeden, den er gern hatte. Er wurde dafür von allen geliebt, denn als Meister-Pirscher konnte er ihnen seine wahren Gefühle ausdrücken: Er kümmerte sich einen feuchten Dreck um sie alle.«
    Ich sagte nichts, aber Don Juan bemerkte meine Mißbilligung dessen, was er sagte, ja sogar meine Betroffenheit. Er lachte leise und schüttelte den Kopf.
    »So ist das Pirschen«, sagte er. »Siehst du, ich habe noch nicht einmal angefangen mit der Geschichte des Nagual Julian, und du bist bereits verärgert.«
    Als ich ihm mein Gefühl erklären wollte, brach er in ein gewaltiges Gelächter aus.
    »Der Nagual Julian kümmerte sich um niemanden«, fuhr er fort. »Das ist der Grund, warum er Menschen helfen konnte. Und das tat er auch; er schenkte ihnen sein letztes Hemd vom Leibe, weil ihm nicht die Bohne an ihnen gelegen war.«
    »Willst du damit sagen, Don Juan, daß nur diejenigen ihren Mitmenschen helfen können, die sich nicht die Spur um sie kümmern?« fragte ich, ehrlich betroffen.
    »So behaupten die Pirscher«, sagte er mit strahlendem Lächeln. »Der Nagual Julian zum Beispiel war ein sagenhafter Heiler. Er half Tausenden und Abertausenden von Menschen, aber er wollte niemals Anerkennung dafür. Er ließ die Leute in dem Glauben, eine Seherin aus seinem Zuge wäre die Heilerin. Wäre er aber ein Mensch gewesen, der sich um seine Mitmenschen kümmerte, dann hätte er Anerkennung verlangt. Diejenigen, die sich um andere Leute kümmern, kümmern sich auch um sich selbst, und sie verlangen Anerkennung, wo ihnen Anerkennung gebührt.«
    Er selbst, sagte Don Juan, da er zu jener Gruppe von Menschen gehöre, die sich um ihren Nächsten kümmerten, habe niemals jemandem helfen können; ihm sei es peinlich, großzügig zu sein. Er könne sich auch nicht vorstellen, geliebt zu werden, wie der Nagual Julian geliebt wurde, und er käme sich blöde vor, wollte er sein letztes Hemd am Leibe verschenken. »Ich kümmere mich so sehr um meinen Mitmenschen«, fuhr er fort, »daß ich überhaupt nichts für ihn tue. Ich wüßte nicht, was ich tun sollte. Und ich hätte immer das quälende Gefühl, daß ich ihm mit meinen Geschenken meinen Willen auf zwinge. Natürlich habe ich, auf dem Pfad der Krieger, all diese Gefühle überwunden. Jeder Krieger kann erfolgreich mit Leuten umgehen, wie es der Nagual Julian konnte, vorausgesetzt, daß er seinen Montagepunkt in eine Position bewegt, wo es gleichgültig ist, ob die Leute ihn lieben, hassen oder ignorieren. Aber das ist nicht dasselbe.« Als Don Juan selbst zum erstenmal die Prinzipien des Pirschens kennenlernte, so erzählte er, habe er sich, genau wie ich jetzt, abgestoßen gefühlt. Der Nagual Elias, der Don Juan sehr ähnlich gewesen sei, habe ihm aber erklärt, daß Pirscher wie der Nagual Julian die natürlichen Führer der Menschen seien. Sie könnten den Menschen helfen, alles zu erreichen.
    »Der Nagual Elias sagte, daß diese Krieger den Menschen helfen können, gesund zu werden«, fuhr Don Juan fort. »Oder sie können ihnen helfen, krank zu werden. Sie können ihnen helfen, ihr Glück zu finden, oder sie können ihnen helfen, Kummer zu finden. Ich schlug dem Nagual Elias vor, man sollte vielleicht nicht sagen, daß diese Krieger den Menschen helfen, sondern daß sie die Menschen beeinflussen. Er sagte, daß sie die Menschen nicht nur beeinflussen, sondern sie aktiv vorantreiben.« Don Juan kicherte und sah mich unverwandt an. In seinen Augen lag ein boshaftes Glitzern.
    »Seltsam, nicht wahr?« fragte er. »Die Art, wie die Pirscher ausdrücken, was sie an den Menschen sehen!«
    Dann begann Don Juan mit seiner Geschichte über den Nagual Julian. Der Nagual Julian, so sagte er, habe viele Jahre auf einen Nagual-Schüler gewartet. Dann sei er eines Tages Don Juan begegnet, auf dem Rückweg von einem Besuch 'bei Bekannten in einem benachbarten Dorf. Wie er die Straße entlangschritt, dachte er sogar daran, wie gern er einen Lehrling finden

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