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Das Feuer von Innen

Das Feuer von Innen

Titel: Das Feuer von Innen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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Bezugspunkt. Ich schien in die Erde eingepflanzt, wie ein Baum. Über mir wölbte sich eine weiße, leuchtende, unvorstellbar hohe Kuppel. Deren Existenz gab mir ein beschwingtes Gefühl. Ich flog ihr entgegen, oder vielmehr, ich wurde empor geschleudert wie ein Geschoß. Ich fühlte mich wohl, geborgen, sicher. Je näher ich dieser Kuppel kam, desto stärker wurden diese Gefühle. Schließlich übermannten sie mich vollends, und ich verlor alle Empfindung meiner selbst. Und dann wußte ich nur noch, daß ich langsam, wie ein fallendes Blatt, durch die Luft schwebte. Ich fühlte mich erschöpft. Eine Sog-Kraft zog mich an. Ich fuhr durch ein finsteres Loch, und dann war ich bei Don Juan und Genaro.
    Am nächsten Tag gingen Don Juan, Genaro und ich nach Oaxaca. Während Don Juan und ich am Spätnachmittag um die Plaza schlenderten, brachte er plötzlich das Gespräch auf das, was wir am Vortag getan hatten. Er fragte mich, ob ich verstanden hätte, was er meinte, als er sagte, daß die alten Seher über eine großartige Erkenntnis gestolpert seien.
    Ich sagte, ich verstünde es wohl, könne es aber nicht in Worte fassen.
    »Was war das Entscheidende an dieser Entdeckung, die wir dich auf dem Berg machen lassen wollten?« fragte er. »Die Ausrichtung«, sagte eine Stimme in meinem Ohr, und gleichzeitig sprach ich selbst es aus.
    Ich fuhr herum, wie im Reflex, und prallte gegen Genaro, der knapp hinter mir ging. Der Schwung meiner Bewegung überraschte ihn. Er fing an zu lachen und umarmte mich. Wir setzten uns. Don Juan sagte, er habe mir noch einige Dinge zu sagen - über den Schub, den ich von der Erde empfangen hätte. Der Krieger, so sagte er, sei in solchen Fällen immer allein, und erst viel später, nach Jahren des Kampfes, stelle sich die Erkenntnis ein.
    Meine Unfähigkeit, diese Dinge zu verstehen, so sagte ich zu Don Juan, sei durch die Tatsache bedingt, daß er und Genaro die ganze Arbeit täten. Ich sei lediglich ein passives Objekt, das nur auf ihre Manöver reagieren könne. Niemals könne ich, und gelte es das Leben, selbst eine Aktion einleiten, denn ich wisse ja nicht, welche Aktion angemessen wäre, noch wie ich sie einleiten solle.
    »Genau das ist der Punkt«, sagte Don Juan. »Du sollst es jetzt noch nicht wissen. Du wirst allein zurückbleiben, um selber all das aufs neue zusammenzufügen, was wir jetzt mit dir tun. Dies ist die Aufgabe, die jeder Nagual erfüllen muß.
    Der Nagual Julian hat es mit mir genauso gemacht, und viel rücksichtsloser, als wir es mit dir tun. Aber er wußte, was er tat. Er war ein hervorragender Nagual, dem es gelang, binnen weniger Jahre all das aufs neue zusammenzufügen, was der Nagual Elias ihn gelehrt hatte. Im Handumdrehen schaffte er etwas, wofür du oder ich ein Leben lang brauchen würden. Der Unterschied ist, daß der Nagual Julian nichts anderes brauchte als einen ganz leichten Anstoß. Dann übernahm seine Bewußtheit die Führung und öffnete die einzige Pforte, die es gibt.« »Was meinst du mit der einzigen Pforte, die es gibt?« »Wenn der Montagepunkt eines Menschen sich über eine kritische Grenze hinausbewegt, so führt dies, meine ich, immer und für jeden Menschen zu den gleichen Ergebnissen. Die Technik, ihn in Bewegung zu setzen, mag noch so verschieden sein, aber die Ergebnisse sind immer die gleichen, und das heißt, der Montagepunkt setzt andere Welten zusammen - unterstützt durch den Schub von der Erde.«
    »Ist der Schub der Erde bei jedem Menschen der gleiche, Don Juan?«
    »Gewiß. Beim Durchschnittsmenschen liegt das Problem im inneren Dialog. Erst wenn ein Zustand absoluten Schweigens erreicht ist, kann man den Schub ausnutzen. Diese Wahrheit wirst du an dem Tag bestätigt finden, da du selbst diesen Schub zu nutzen versuchst.«
    »Ich würde dir nicht empfehlen, es zu versuchen«, sagte Genaro ernst. »Es dauert Jahre, ein makelloser Krieger zu werden. Um die Geschwindigkeit des Erden-Schubs auszuhalten, mußt du besser sein, als du jetzt bist.«
    »Die Geschwindigkeit dieses Schubs wird alles in dir auflösen«, sagte Don Juan. »Unter seinem Anprall werden wir zu nichts. Solche Geschwindigkeit, und das Gefühl der individuellen Existenz, sind nicht vereinbar. Gestern, auf diesem Berge, haben Genaro und ich dich gestützt und dir als Anker gedient. Sonst wärst du nicht wiedergekehrt. Du wärest wie einer dieser Männer, die ganz bewußt den Schub der Erde nutzten, um ins Unbekannte einzutreten, und die noch immer durch jene

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