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Das Feuer von Innen

Das Feuer von Innen

Titel: Das Feuer von Innen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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das ich aktiviert hatte, ohne zu wissen wie, gab mir die Gewißheit, daß ich eine große Wahrheit verstanden hatte. »Ich glaube, du fängst langsam an, selbst in Bewegung zu kommen«, sagte Don Juan zu mir. »Laß uns nach Haus gehen. »Du hast genug gehabt für diesen Tag.«
    »Ach, komm«, sagte Genaro. »Er ist stärker als ein Stier. Er braucht noch einen kleinen Schub.«
    »Nein!« sagte Don Juan mit Nachdruck. »Wir müssen seine Kräfte sparen. Mehr hat er ja nicht.«
    Genaro beharrte, wir sollten bleiben. Er sah mich an und blinzelte mir zu. »Sieh mal, dort«, sagte er zu mir und wies nach der Bergkette im Osten. »Die Sonne über diesen Bergen ist kaum ein paar Zentimeter weitergerückt, und doch bist du stundenlang durch die Hölle gestolpert. Findest du das nicht überwältigend?« »Mach ihm nicht unnötig angst«, protestierte Don Juan beinahe aufbrausend.
    Und jetzt sah ich ihre Manöver. In diesem Moment sagte mir die Stimme des Sehens, daß Don Juan und Genaro ein überlegenes Team von Pirschern waren, die nach Belieben mit mir spielen konnten. Don Juan war derjenige, der mir grenzenlose Anstöße gab, aber immer ließ er Genaro als den Gefährlicheren erscheinen. Damals in Genaros Haus, als ich mich in eine beinah hysterische Angst steigerte, nachdem Genaro an Don Juan die Frage gerichtet hatte, ob ich angeschubst werden sollte, wobei Don Juan mir versicherte, daß Genaro sich nur über mich lustig mache, da war es Genaro gewesen, der sich meinetwegen sorgte.
    Mein Sehen versetzte mir einen solchen Schock, daß ich lachen mußte. Don Juan und Genaro schauten mich überrascht an. Dann merkte Don Juan anscheinend, was in mir vorging, und er erzählte es Genaro. Die beiden lachten wie Kinder. »Allmählich wirst du erwachsen«, sagte Don Juan zu mir.
    »Gerade noch zur rechten Zeit. Nein, du bist weder zu dumm noch zu schlau. Du bist genau wie ich. Aber in deinen Irrtümern bist du nicht wie ich. Da bist du eher wie der Nagual Julian - mit dem Unterschied, daß er überragend war.«
    Er stand auf und reckte sich. Er sah mich an - mit den durchdringendsten, wildesten Augen, die ich je gesehen hatte. Auch ich stand auf.
    »Ein Nagual läßt die anderen nie erkennen, daß er die Verantwortung hat«, sagte er zu mir. »Ein Nagual kommt und geht ohne Spuren. Dies ist die Freiheit, die ihn zu einem Nagual macht.«
    Seine Augen strahlten auf, aber dann hüllten sie sich in einen Schleier menschlichen Mitgefühls und freundlicher Sanftheit, und es waren wieder Don Juans Augen.
    Es fiel mir schwer, mich im Gleichgewicht zu halten. Hilflos schwankte ich hin und her. Genaro sprang herzu und half mir, mich hinzusetzen. Die beiden setzten sich links und rechts neben mich.
    »Du bist dabei, von der Erde einen Schub zu bekommen«, sagte mir Don Juan ins Ohr.
    »Denk an die Augen des Nagual«, sagte mir Genaro in das andere.
    »Der Schub wird in dem Moment kommen, da du das Glitzern auf der Bergkuppe dort siehst«, sagte Don Juan und deutete auf den höchsten Gipfel in der östlichen Bergkette.
    »Du wirst nie wieder die Augen des Nagual sehen«, flüsterte Genaro.
    »Geh mit dem Schub, wohin er dich auch führt«, sagte Don Juan.
    »Wenn du an die Augen des Nagual denkst, wirst du erkennen, daß die Medaille zwei Seiten hat«, flüsterte Genaro. Ich versuchte zu überdenken, was die beiden mir sagten, aber meine Gedanken gehorchten mir nicht mehr. Irgend etwas preßte mich zusammen. Ich hatte das Gefühl, als ob ich schrumpfte. Mir wurde übel. Ich sah die Abendschatten rasch an den Hügel der Berge im Osten hinaufklettern. Ich hatte das Gefühl, als liefe ich hinter ihnen her.
    »Los geht's«, sagte Genaro in mein Ohr.
    »Beobachte den hohen Gipfel, beobachte das Glitzern«, sagte Don Juan in mein anderes Ohr.
    Dort, auf der höchsten Kuppe der Bergkette, die Don Juan mir gezeigt hatte, war tatsächlich ein hell leuchtender Punkt.
    Ich beobachtete, wie sich dort der letzte Sonnenstrahl brach. Ich hatte ein hohles Gefühl im Magen, als säße ich auf einem Karussell.
    Ich hörte, oder vielmehr, ich spürte das ferne Grollen eines Erdbebens, das mich plötzlich überwältigte. Die seismischen Wellen waren so laut und so gewaltig, daß sie für mich alle Bedeutung verloren. Ich war eine unbedeutende Mikrobe, die hin und her geschwenkt und geschleudert wurde.
    Allmählich ließen diese Bewegungen nach. Da war noch ein mächtiger Ruck, und dann kam alles zur Ruhe. Ich versuchte mich umzusehen. Ich hatte keinen

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