Das Feuer von Innen
Westen versinkt, wirst du für einen Moment allen Glanz einfangen können, den du brauchst. Der Zauberschlüssel, der die Pforten der Erde öffnet, besteht aus innerem Schweigen, plus all dem, was funkelt.« »Was, genau, soll ich tun, Don Juan?« fragte ich.
Die beiden sahen mich prüfend an. Mir war, als entdeckte ich in ihren Augen eine Mischung von Neugier und Abscheu. »Stell nur deinen inneren Dialog ab«, sagte Don Juan zu mir.
Schlagartig befielen mich Angst und Zweifel. Ich traute mir nicht zu, dies willentlich tun zu können. Nach einem ersten Augenblick quälender Frustration begnügte ich mich damit, mich einfach zu entspannen.
Ich sah mich um. Ich stellte fest, daß wir uns hoch genug befanden, um in das lange, enge Tal hinabzuschauen. Mehr als zur Hälfte lag es bereits im abendlichen Schatten. Die Sonne beschien noch die Hänge der Bergkette im Osten und die andere Seite des Talgrundes. Das Sonnenlicht färbte die zerklüfteten Berge ocker, während die bläulichen Gipfel in der Ferne einen violetten Schimmer angenommen hatten.
»Dir ist klar, daß du dies schon einmal gemacht hast, nicht wahr?« flüsterte Don Juan mir zu. Ich sagte ihm, daß mir gar nichts klar sei. »Wir sind schon andere Male hier gesessen«, beharrte er. »Aber das zählt nicht. Dies ist das eine Mal, auf das es ankommt. Heute wirst du mit Genaros Hilfe den Schlüssel finden, der alles aufschließt. Du wirst ihn jetzt noch nicht verwenden können, aber du wirst wissen, was er ist und wo er ist. Um dies zu erfahren, bezahlen die Seher den höchsten Preis. Du selbst hast in all diesen Jahren gebührend bezahlt.«
Dieser Schlüssel, der alles auf schließt, so erklärte er mir, liege in der unmittelbaren Anschauung, daß die Erde ein Lebewesen und als solches in der Lage sei, dem Krieger einen gewaltigen Schub zu versetzen; dieser Schub sei ein Impuls, ausgesandt vom Bewußtsein der Erde selbst, und zwar in dem Moment, da die Emanationen im Kokon des Kriegers sich an den entsprechenden Emanationen im Innern des Kokon der Erde ausrichteten. Nachdem die Erde sowohl wie der Mensch beide Lebewesen seien, bestünde Übereinstimmung zwischen den Emanationen der beiden. Anders gesagt, die Erde enthält alle Emanationen, die im Menschen vorhanden sind, und darüber hinaus auch alle Emanationen, die in den anderen Lebewesen, seien es organische oder anorganische, vorhanden sind. Wenn nun der Augenblick der Ausrichtung gekommen ist, nutzen die Lebewesen diese Ausrichtung, allerdings in beschränkter Weise, und nehmen ihre jeweilige Welt wahr. Der Krieger, sagte Don Juan, habe nun die Wahl, diese Ausrichtung zu nutzen, um wahrzunehmen wie jeder andere, oder sie als einen Schub zu nutzen, der ihm den Eintritt in unvorstellbare Welten eröffne.
»Ich warte schon lange darauf, daß du mir die einzig sinnvolle Frage stellst, aber du fragst nicht«, fuhr er fort. »Statt dessen reitest du auf der Frage herum, ob das wunderbare Geheimnis all dessen in uns selbst liegt. Aber immerhin bist du der Sache auf der Spur.
Das Unbekannte liegt nicht eigentlich im Innern des menschlichen Kokon, in den vom Bewußtsein unerreichten Emanationen, und doch liegt es in gewisser Weise dort. Das ist der Sachverhalt, den du nicht verstanden hast. Als ich dir sagte, daß wir sieben Welten neben dieser einen, uns bekannten, zusammensetzen können, da hast du dieses Zusammensetzen als einen inneren Vorgang aufgefaßt, weil du in der Vorstellung befangen bist, als sei alles, was du mit uns erlebst, nur deine eigene Einbildung. Darum hast du mich nie gefragt, wo das Unbekannte tatsächlich liegt. Seit Jahren drehe ich mich im Kreis herum und zeige mit dem Finger auf alles, was uns umgibt, und sage dir: dies da ist das Unbekannte. Aber du hast niemals die Verbindung gezogen.« Genaro fing an zu lachen, dann hustete er und stand auf. »Er hat noch immer nicht die Verbindung hergestellt«, sagte er zu Don Juan.
Ich mußte eingestehen, daß ich, falls da ein Zusammenhang bestünde, ihn nicht erfaßt hätte.
Don Juan versuchte noch einmal, mir den Zusammenhang begreiflich zu machen: Jener Teil der Emanationen, sagte er, der sich im Innern des menschlichen Kokon befinde, befinde sich nur für das Bewußtsein dort, und es sei das Bewußtsein, das diesen Anteil der Emanationen mit dem gleichen Anteil der allgemeinen Emanationen in Übereinstimmung bringe. Letztere bezeichne man als die allgemeinen Emanationen, weil sie grenzenlos seien. Behaupte man nun, daß außerhalb
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