Das Filmbett
völlig verdrängt. Diese kindische Ausgeburt verderbter Fantasie.
Die Kleine ist eine ausgepichte Lügnerin und Aufschneiderin. Und ihr Freund ist
nicht besser. Die beiden wollten sich sicher ihren Spaß mit mir machen. Auf
dieses Qui pro Quo falle ich nicht herein. Alles Schwindel.«
»Da bin ich nicht so sicher«,
sagte mein bedächtiger Freund und er hatte oft recht. »Ich traue den beiden
diesen Decameroneschwank zu. Man hat übrigens bereits Wetten abgeschlossen, und
wollte beim Rendezvous dabei sein. Aber der Herr Staatsschauspieler erklärte,
das sei schlechter Stil.«
»Das Beste wäre, nicht
hinzufahren, und dann zu sagen, man habe die Angelegenheit von vorneherein
nicht ernst genommen.«
»Dann riskierst du den Vorwurf,
ein Mann zu sein, der den Reiz eines Abenteuers scheut, Feigheit vor der
Bettenfront... laß doch den Zufall entscheiden...« Er zog ein Fünfmarkstück aus
der Tasche. »Kopf, kühler Kopf, wir bleiben hier, Adler, Vogel, du beeilst dich
und schläfst mit ihr — vorausgesetzt sie stellt sich ein zum Stelldichein.«
Ich nahm die Münze und warf.
Vogel. Wir zahlten, fuhren meinen Hudson (ein Verbrechen! ›Deutsche Künstler
fahren nur Deutsche Wagen‹, hatte Goebbels apodiktisch deklariert) vom
Parkplatz und kämpften uns gegen den Strom zunehmenden
Sonntagnachmittagsverkehrs in die Stadt zurück. Drei Minuten nach fünf Uhr
waren wir im Hotel.
»Du wartest fünf Minuten«, sagte
ich, »bin ich bis dahin nicht zurück, fährst du den Wagen in die Garage.«
Ich ging zu dem Portier an der
Rezeption. Er hatte meinen Zimmerschlüssel bereits in der Hand, beugte sich
diskret etwas vor und deutete in Richtung Halle: »Die Dame wartet.«
Ich drehte mich um, da saß sie mit
der unaufdringlichen Eleganz einer Französin von Klasse, die langen Beine in
echten Seidenstrümpfen. Ich ging auf sie zu, sie stand auf und gab mir eine
schlanke, kühle Hand.
»Ich heiße Gilberte«, sagte sie
einfach, »ich spreche Deutsch.«
Ich bot ihr an, wieder Platz zu
nehmen. Sie wurde einen Augenblick unsicher: »Wollen wir nicht lieber gleich
nach oben gehen?« fragte sie leise.
»Wie Sie wünschen, Gilberte«,
sagte ich und führte sie zum Lift. »Also Gilberte, und nicht Berenice oder wie
immer es im Programmheft heißt?«
»Das ist mein Kriegsname — reine
Camouflage«, lächelte sie, während ich den Lift betätigte. Die Fahrt war kurz.
Im Erdgeschoß war nämlich die Bar, nachmittäglich leer. Der Mixer hantierte
beschäftigungslos herum.
»Was trinken Sie — Martini?« Sie
nickte und kletterte etwas erstaunt, nicht ins Zimmer gebracht worden zu sein,
auf den Barhocker, wobei ihr Kleid erfreulich hochrutschte, ohne daß sie es
beabsichtigt hatte.
»Sie sind Französin?« fragte ich.
Wieder nickte sie. »Es ist fade, ich weiß, aber ich muß Ihnen ein Kompliment
machen. Außer der Mistinguette hat Frankreich nichts Besonderes an schönen
Beinen hervorgebracht. Ich hatte immer den Verdacht, der Chic, der Esprit d’amour,
der Charme der Französin sei nichts anderes als die raffinierte Kompensation
von zu kurzen Beinen, zu kurzen Oberschenkeln einer hübschen, pikanten aber
keinesfalls besonderen Frauenrasse. Sie haben mich eines Besseren belehrt. Ich
bereue mein dummes Pauschalurteil.« Sie antwortete nicht. »Sie sprechen
akzentfrei Deutsch — wenn Sie sprechen«, fügte ich nach einer kleinen Pause
hinzu.
»Ich bin Sprachstudentin, Deutsch,
Englisch, Spanisch«, sagte sie, »das ›Tabarin‹ ist mein Nebenberuf. Man
verdient da erträglich. Und dann ist es dort auch amüsant.«
»Sie müssen mir viel vom ›Tabarin‹
erzählen. Seit Colettes bezaubernder ›Mitsou‹ interessiert mich das Milieu
einer Music-Hall ganz besonders.«
»Im großen und ganzen geht es dort
anständiger zu, als in den Garderoben der Haute-couture... ich arbeite auch
gelegentlich als Mannequin«, sie hob kurz das Cocktailglas gegen mich.
»Cheerio.« — Sie trank richtig, nippte nicht bloß. Das gefiel mir.
»Artisten sind ein bürgerliches
Volk«, sie lachte ein bezauberndes Lachen. »Sie würden sich wundern, was in den
Garderoben der ›Nudists‹ los ist. Man strickt Pullover für den Mann oder
Freund, windelt Babies und tauscht Kochrezepte aus. Die Sünde ist weit weg.
Gelegentlich meldet sie sich in Gestalt von Ausländern. Ihre Kleine ist ein
lüsterner Kindskopf und ihr Freund, dieser Roue aus einem Stück von Feydeau,
ist auf dem besten Weg ein alter Gaga zu werden... entschuldigen Sie, das war
unartig,
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