Das Filmbett
ami — nein,
begleiten Sie mich nicht, ich nehme ein Taxi...« Sie war an der Tür und drehte
sich noch einmal um. »Ich habe ein schlechtes Gewissen — das Geld kann ich Ihrem
Paar leider nicht zurückgeben, ich habe es nicht mehr.« Ich winkte ärgerlich
ab. Aber immer noch zögerte sie, zu gehen.
»Das Leben ist ein seltsamer
Handel: da spuckt ein Herr Goebbels ein kleines Mädchen an... Sie schicken ihm
sein Protektionskind zurück, verpflichten sich eine kleine Ostpreußin, deren
Freund kauft Ihnen das Mädchen, das eine Frau geworden ist — und einer von
Goebbels armen Emigranten bekommt dadurch den fehlenden Rest für seine
Schiffspassage nach Amerika. Das nennt man Kettenreaktion. Das Leben ist
wirklich ein Fluß, auf dem Handel getrieben wird. Aber Sie sollten wissen, daß
alles zu einem guten Zweck geschah... au revoir, mon ami.« Sie schickte mir
noch einen langen Blick und einen kurzen Kuß durch die Luft und war aus der
Tür. Ahnte sie damals schon, daß die Kettenreaktion noch nicht zu Ende war? Als
ich später in die Rocktasche griff, fand ich ein zusammengerolltes Papier. Ein
Scheckformular mit ihrer Unterschrift. An Stelle des Geldbetrages stand: »Bon
pour une nuit d’amour avec tous les desires à demande de mon ami«, die Floskel
»Oder Überbringer« war ausgestrichen, und in die Zeile, die für den Zweck der
Zahlung vorgesehen war, hatte sie geschrieben: »Pour amortier une grande dette
amicale«. Gesiegelt war der Scheck mit dem roten Abdruck ihrer geschminkten
Lippen.
Erst fünf Jahre später kam ich wieder
nach Paris. Auf der Rückreise von Außenaufnahmen in Bordeaux, im Medoc, in
Biarritz und St. Jean de Luze. Ich hatte am Gare St. Lazare mit meinem
Kameramann und seinem Assistenten den reservierten Waggon verlassen, der meinen
Filmtrupp nach Berlin zurückbrachte. Ich mußte noch einige dokumentarische
Bilder aus dem besetzten Paris drehen.
Von der Kommandatur wurde uns das
kleine Hotel am Etoile für Wehrmachtsgefolge zugewiesen.
Paris 1942 — als die Schlacht von
Stalingrad verloren ging und Amerika in den Krieg eintrat: La ville Lumiére
sous les bottes — die Lichterstadt unter dem Knobelbecher. Die Stadt war grau
wie eh und je — aber es war, als hätte sie noch einen Trauerflor über sich
gebreitet. Die deutsche Feldpolizei auf den Champs Elysées, die deutschen
Soldaten mitten unter der Pariser Bevölkerung: irgendwo paßte das nicht
zusammen, es war nicht einmal ein tragischer, dramatischer Gegensatz — es
stimmte einfach nicht. Vom Standpunkt eines Regisseurs war diese Besatzung eine
Fehlbesetzung.
Es war schon Abend, als ich ins
Hotel kam, aber ich war nicht müde. Die Theater spielten, der Portier legte mir
das Heft mit dem Wochenspielplan vor. Ich hatte keine Lust zu einem müden Molière
des Theâtre Françis oder zu einer glatten, flinken Boulevardkomödie. Jedoch
hier: »Das Tabarin präsentiert seine einmalige Revue!« In einem Foto erkannte
ich eines der berühmt gewordenen Karusellpferde mit einer nackten Frau im
Kopfhang. Eine Karte war rasch reserviert. Die Organisation des
Militärgouvernements sorgte bestens für das Vergnügen der Truppe. Daß Gilberte
auf dem Foto war, war zweifelsfrei, aber es konnte ein altes Bild verwendet
worden sein. Ich kramte im versteckten Fach meiner ewig unaufgeräumten
Brieftasche. Tatsächlich, der bewußte Scheck fand sich. Er war nicht mehr sehr
ansehnlich. Egal, ich steckte das Formular auf alle Fälle in ein Kuvert mit der
Aufschrift des Hotels. Ich bummelte die großen Boulevards entlang, bis es Zeit
zur Vorstellung war. Im Tabarin tauschte ich an der Kasse den
Vorbestellungsschein des Portiers gegen eine Eintrittskarte in der ersten
Reihe. Ich entnahm dem Programmheft, daß es tatsächlich noch ein Beauty namens
Berenice (alias Gilberte) gab, trieb irgendwo ein paar Rosen auf und gab sie
mit dem Brief beim Bühnenportier ab.
Dann sah ich sie und sie mich. Sie
war noch immer schön, ja, sie schien mir noch schöner, weil charaktervoller
geworden zu sein. Die genau gesetzten, wohlproportionierten Halbkugeln ihrer
Brüste, diese unbeschreibliche sphärische Kurve, die zur markierten Taille
führt und mit unvergleichlichem Zirkelschwung über die Lende zum langen
Oberschenkel ging, diese eleganten Beine, die sich bewußt waren, an ihrem Ende
den weiblichen Schoß wie einen Gral zu tragen, einen köstlichen Blütenkelch aus
Muraner Glas...
Das Programm lief wie immer
reibungslos ab, aber es schien etwas
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