Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Filmbett

Das Filmbett

Titel: Das Filmbett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
Vom Netzwerk:
einen Augenblick forschend
an. »Wir gastieren oft auf Fliegerhorsten, bei Kommandostellen, in
Offizierskasinos... aber sei beruhigt, man wird mir nicht den Kopf kahl
scheren, wenn der Krieg einmal zu Ende ist, eher...« Sie brach ab, begann aber
sofort wieder in leichtem Tone zu sprechen. »Und deine Kleine, die hast du
natürlich inzwischen doch gehabt. Was macht sie?«
    Ich erzählte ihr, daß sie zwar
kein Star sei, aber als vielfach verwendbare Lustspielsoubrette Erfolg gehabt
hätte. Jetzt ginge es ihr schlecht, sie habe große Schwierigkeiten.
    »Mit Goebbels?«
    »Auch mit Goebbels. Da soll eine
Liebesgeschichte gewesen sein, mit einem Offizier, der wegen angeblichen
Hochverrates verhaftet wurde. Sie soll ziemlich in der Tinte sitzen. Ich weiß
nichts Genaues, bin ja seit Monaten nicht in Berlin gewesen...«
    »Vielleicht kann ich ihr helfen«,
sagte sie etwas rätselhaft, »erzähl mir von Goebbels.«
    »Dein Freund, ich weiß«, sagte ich
und erzählte ihr alles, was ich erfahren hatte von Frauen, deren Vertrauen ich
genoß, und die mir glaubwürdig berichteten, was sie mit dem vielgehaßten
»Doktor« erlebt hatten, die tolle Geschichte der reizenden Rotraut Richter, die
sich seinen Wünschen entzog, in dem sie betont verwahrlost bei ihm erschien und
sein Angebot, ihr beruflich zu helfen, abschlägig beschied, da sie alles habe,
Vertrag, Freund, Auto, Reitpferd etc. und die, da er sie unbedingt mit etwas
beglücken wollte, sich schließlich von ihm den schlachtreifen Schinder
Gravelotte schenken ließ, der ihr Partner beim letzten Film »Das Veilchen vom
Potsdamerplatz« gewesen war, damit er in ihrem Stall das Gnadenbrot bekäme und
nicht zum Abdecker müsse... Und wie er auf seine Frage, was denn das kosten
würde, und auf ihre kecke Antwort: ›]a, ick denke, so 500 Märker müssen Se
schon hinblättern, Herr Reichsminister‹, angewidert fünf Hundertmarkscheine aus
seiner Brieftasche zog, sie ihr hinwarf, womit sie zwar ihn, aber auch ihre
Karriere los war... »Sie tingelt jetzt bei der Truppenbetreuung herum...« Oder
die Anekdote einer anderen Schauspielerin, die mit einem eingegipsten Bein und einer
Krankenschwester zum Rendezvous erschien... die Abenteuer weniger skrupelhafter
Kolleginnen, die sich nicht über seine Potenz, aber über seine körperliche
Beschaffenheit mokierten...
    Die Rituale bei seinen Amouren,
der Wagenwechsel an einem bestimmten Kilometerstein der Autobahn, wenn es sich
um sein heimliches Liebesnest handelte, die immer wieder gleichen Zeremonien
beim privaten Empfang einer Auserwählten im Propagandaministerium... Wie dann
nach dem kleinen Abendimbiß erst die Hausdame verschwand, dann der Adjutant
abberufen wurde... wieviel Zeit verging, bis er das gedeckte Tischchen verließ,
mit wie wenigen Schritten er den Flügel erreichte (sein Fuß!), welche Stelle
der Mondscheinsonate er dann auswendig spielte, wie er — gedeckt hinter dem Flügel
herumgehend — bequem den vorbereiteten Lederband greifen konnte, um Hölderlins
Gedicht über den Krieg vorlesen zu können, um anschließend wiederum mit nur
wenigen Schritten bei der Favoritin des Abends zu sein, um sie in den Arm zu
nehmen und den ersten Zungenkuß zu versuchen... ein Zeremoniell, das mir in
gleichlautenden Versionen dreimal bestätigt wurde... und vieles mehr...
    Sie lachte und kicherte, warf hier
ein »c’est impossible«, da ein »incroyable« ein, und wollte immer wissen, ob
das Unglaubliche wirklich wahr und nicht nur Tratsch wäre. Ich bemerkte, wie
sie zwischendurch tief ernst wurde, aber nicht, wie sie mit angestrengten
Stirnfalten versuchte, sich jedes einzelne Detail gewissenhaft einzuprägen.
    Ich mußte — wegen der
Ausgangssperre — bis zum frühen Morgen bleiben und war glücklich darüber. Ich
wollte ihr meine Lebensmittelmarken aufdrängen, aber sie wies sie zurück und
meinte, sie wäre ausreichend versehen. Sie sagte, wie zum Spaß: »Ach, weißt du,
ich lasse mir immer welche drucken.« Ich lachte.
    »Hörst Du eigentlich gelegentlich
ausländische Sender, Feindsender heißt es wohl amtlich?« fragte sie. Ich sagte,
ich täte es, wenn ich meiner nächsten Umgebung sicher sei.
    »Der Soldatensender Calais ist oft
recht amüsant«, sagte sie beiläufig, »besonders immer am Freitag abend.«
    Das herzlich improvisierte
Frühstück, der Abschied, nicht ohne tiefe Bewegung, ging ohne große Worte
vonstatten. Ich fuhr direkt zu meinem Aufnahmeplatz. Erwähnenswert ist nur — es
war kein Zufall — ,

Weitere Kostenlose Bücher