Das Filmbett
daß ich aus einer unbewußten Neugierde eine Gelegenheit
suchte und fand, um gefahrlos den verbotenen Sender am nächsten Freitag zu
hören. Da wurde höhnisch Dr. Goebbels’ Liebesleben in die Mangel genommen, sehr
geschickt und sehr glaubwürdig, und nur namentlich der Fall der jungen
Schauspielerin erwähnt, die unschuldig in einen Hochverratsprozeß verwickelt
wurde, weil Goebbels Rache für sein verletztes Selbstgefühl als Mann nehmen
wollte.
Als ich kurz darauf in Berlin war,
erfuhr ich, der Reichsfilmdramaturg habe den sofortigen Einsatz der
Schauspielerin befohlen, um der lügenhaften Feindpropaganda die Wahrheit
entgegenzusetzen.
Die Herren versammelten sich
wieder im Salon, die Drehbuchbesprechung wurde wieder aufgenommen. Die Flaschen
auf dem Tisch waren voll, die Aschenbecher leer. Als dann der dramaturgische
Engpaß durch einen genialen Einfall beseitigt wurde, einen allseits bewunderten
Einfall, wußte ich, daß der Film nie gedreht werden würde.
Spät abends waren wir von dem
französischen Co-Produzenten zur neuen Show in das »Lido« eingeladen. Wir
hatten das Jahr 1954, und dreizehn Jahre waren seit meinem zweiten Besuch im
»Tabarin« vergangen. Man wies uns den reservierten Tisch zu. Die erste Show
hatte gerade angefangen. Auf der anderen Seite der hochgefahrenen Floorshowbühne,
zwischen den jenseitigen Tischreihen und immer wieder verdeckt durch die
wirbelnden Bluebellgirls, glaubte ich einen kurzen Moment eine mir bekannte
hohe, schmale Gestalt zu sehen. Diskret schwarzes Kleid mit weißem Zierkragen,
im Haar eine weiße Strähne — eine Art Empfangsdame, eine leitende Angestellte
des Etablissements? Aber sie hatte sich schon abgewandt und Miß Bluebells Girls
fegten gerade mit rauschenden Kostümen und ihren in Netztrikots vergitterten
Gliedmaßen vorbei, erzeugten parfümgeschwängerte Sturmböen und verwehten mit
einer gekonnten Wischblende das Bild.
In der Pause überreichte mir der
Nubier, der dort den Mokka serviert, ein Briefchen. Es war ihre Schrift:
»Mon cher ami, ich bin glücklich,
Sie wenigstens kurz, aus der Entfernung, gesehen zu haben. Mir geht es gut, von
Dir weiß ich es. Aber versuche nicht, mich nahe zu sehen.
Nicht, daß ich mich meines Alters
oder meiner grauen Strähne im Haar schäme, sie kleidet mich recht gut. Aber die
kleinen tätowierten Zahlen an meinem Handgelenk sind kein besonderer Schmuck,
wenn auch ein Souvenir aus Deutschland. In love, Gilberte.
NB: Kümmere Dich um die beiden
blonden Zwillinge. Sie sind deutsche Mädchen und werden Karriere machen. Sie
verdienen es, sie sind vom Metier.«
Truppenbetreuung
Wie bei jeder Tournee war auch
gegen Ende der Fronttheatertournee 1942 das Ensemble sich spinnefeind geworden
und in eigenbrötlerische Einzelpersonen und kleinste Interessengrüppchen
zerfallen. Der ohnedies höchst introvertierte Tourneeleiter, der immer weniger
Kontakt zu seinen Leuten hielt, hatte, wie stets, seinen Fensterplatz im
Wehrmachtszug eingenommen und war nicht ansprechbar, Komiker und Conférencier
spielten Schafkopf ohne vergrimmt mehr zu äußern als die notwendigsten Annoncen
des jeweiligen Spielverlaufes. Die naheliegende Interessen- und
Bettgemeinschaft zwischen dem Gesangsbuffo und der Tanzsoubrette war längst
schmählich zerbrochen und ähnelte einer mürb gewordenen Ehe, die jählings in
Haßaffekte ausbrechen konnte. Die weiblichen Mitglieder widmeten sich verbissen
ihren Handarbeiten, die nach Fertigstellung aus Materialmangel wieder
aufgetrennt wurden, was auch — allerdings aus anderen Motiven — Penelope, die
Gattin des Odysseus getan hatte. Einig waren sich alle Ensemblemitglieder nur
in der Ablehnung der »Huppdohlen«, der Mädchen aus der Tanzgruppe. Diese hatte
ihre Gründe nicht nur in der Verachtung der animierenden Wirkungen der billigen
Kunstausübungen der »Girls«, sondern weil diese »Mistbienen« die johlendsten
Ovationen der Landser empfingen und damit verbunden, Zigarettenrationen,
abgesparte Lebensmittelkarten, schwarz organisierte Würste, Speck und Eier
kassierten. In den Horsten der Jagd- und Bomberstaffeln gab es zudem noch
Fliegerschokolade, aber auch Pervitintabletten und manche Stücke ziviler Beutezüge:
französischen Cognac, Parfüme, Seidenstrümpfe und dergleichen mehr. »Dem Reiz
seine Wäsche«, meinte ein glatzköpfiger Etappenhengst und wähnte sich — »oh lalà«
— im Besitz echt gallischen Esprits.
Die Truppe war einiges gewohnt.
Auftritte in zugigen Scheunen, feindliche
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