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Das Filmbett

Das Filmbett

Titel: Das Filmbett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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gegen dicke Stapel schmieriger
Drachmenscheine, gegen harte Devisen und verwertbare Schmuckstücke. Wie immer
in großen Notzeiten lebten einige Dutzend Menschen gut mit allem, was den
anderen fehlte. Man konnte in Weinlaub gebackenen deliziösen Fisch essen,
vielleicht mit einem Löffel Reis, der aus den Militärdepots des italienisch
besetzten Peloponnes oder Ostgriechenlands gestohlen war, es gab Nougat aus
Mailand, Tee aus England, die eine oder andere Konserve aus den USA... es gab
Benzin für den großen Wagen... aber es gab kein tägliches Brot!
    Das gute deutsche Kommißbrot wurde
zu dem Gaurisankar in einem utopischen kulinarischen Schlaraffenlande, einem
Objekt von Hungerhalluzinationen wie das Huhn in Chaplins »Goldrush«. Seine
längliche Form, ein kantiger Phallos erweckte alle Assoziationen von
Fruchtbarkeit, Überleben und glückhafter Sattheit, befriedigter und zur Ruhe
gekommener Physis.
    Und es wurde zur stabilsten
Währung des frühesten, archaischen Tauschverkehrs — der Prostitution. Und die
ging, wie stets in nationalen Katastrophenzeiten quer durch alle sozialen
Schichten. Nicht nur griechische Mädchen der unterprivilegierten Stände
verdingten sich mit Arbeitsverträgen bei den Soldatenbordellen der
Achsenmächte. Die Landser wußten schmatzend davon zu berichten — ohne zu ahnen,
daß sich ihre Frauen und Töchter in übersehbaren Monatsfristen in einer
ähnlichen Lage befinden würden. Nur sollte es sich da nicht um deutsches
Schwarz- sondern um amerikanisches Weißbrot handeln, nicht um deutsche
Heereskonserven sondern um GI-rations, um Chesterfieldstangen und Erdnußbutter,
um Stalin-Pajoks mit Würsten und Fetten...
    Einige Herren des Ensembles wußten
zu erzählen, daß sie mit dem halben, sorgfältig in Zeitungspapier
eingeschlagenen Kommißbrot aus der Wehrmachtsküche — ihrer Tagesration — , sich
mühsam durch den gellend nach Brot schreienden Kinderchor durchgekämpft hatten
und auf halbem Wege zum Zappeion von einem amerikanischen Straßenkreuzer
überholt und aufgehalten wurden. In dem Luxusgefährt befanden sich vier
außerordentlich schick und modern gekleidete Damen offensichtlich der besten
Gesellschaft, die einigermaßen gut deutsch, vorzüglich französisch und englisch
sprachen, und die Herren Künstler freundlich aufforderten, den Wagen zu
besteigen. Und die, da man zögerte, lächelnd erklärten, kein Kidnapping und
keinen politischen Gewaltakt zu beabsichtigen. Das Einsteigen erforderte ein
enges Zusammenrücken, und dann ging es in das mondäne Villenviertel Kolonaki,
in einen umgitterten Privatpark zu einem vornehmen Stadthaus, wo sie von Bediensteten
beiderlei Geschlechtes respektvoll empfangen wurden. In dem Nobelheim aus
penteleischem Marmor mit erstaunlichen Kunstschätzen neben dem
kunstgewerblichen Kitsch, wie er im ganzen Süden Europas bei reichen Leuten zu
finden ist, wurden sie wie Könige gehalten. Man wartete ihnen mit köstlichen
einheimischen Weinen und Kreszenzen aus Bordeaux und Burgund, mit schottischem
Whisky und amerikanischem Bourbon auf, bot echten Mocca turque, Zuckerwaren,
Kaviar und Lachs an, servierte Dinge, von denen die Deutschen nicht mehr zu
träumen wagten. Und das Anerbieten erstreckte sich nicht nur auf die Genüsse
des Magens sondern auch in expressis verbis auf die Genüsse des Leibes, wozu
sich Sofa, Couch und Divan bereit fanden. Kurz, es kam zu einer Orgie — oder, um
in mythologischen Begriffen zu bleiben, zu einer Saturnalie zu Ehren der
kornspendenden Göttin Demeter: denn es ging um das köstliche Brot, das die
Herren so ehrfurchtslos, in grobes bedrucktes Papier gewickelt, unter dem Arm
transportierten, statt es feierlich wie eine Monstranz vor sich herzutragen.
Aber wer waren diese Damen mit Charme, Chic und Witz, in diesem mehr als
wohlhabenden Ambiente? Kokotten, ausgehaltene Mätressen, Hetären der grande
qualitee? Nein, es waren die griechischen Grünen Witwen des Zweiten
Weltkrieges, die in französischen und Schweizer Internaten, in englischen
Colleges erzogenen Ehefrauen reicher Reeder, die im Ausland ihre Handelsflotten
vercharterten, es zur Zeit nicht für opportun hielten, nach Hellas
zurückzukehren, aber Wege fanden, ihre Frauen und Töchter mit Geld und
Schmuggelware über die Inseln hinweg in Athen zu versorgen. Diese Frauen hatten
alles, Schmuck, Geld, Kleider, alle möglichen Delikatessen, nur eines hatten
sie nicht: Brot! Und für Brot waren sie sogar bereit, sich zu prostituieren. —
    Wieder trat

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