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Das Filmbett

Das Filmbett

Titel: Das Filmbett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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Reichshauptstadt
Großdeutschlands war er unverkennbar bräunlich angehaucht. Nazischriftsteller
hatten so ein gewisses Aroma. Nach Kölnisch Wasser und Rasierseife duftend,
strömten sie den Geruch peinlicher Sauberkeit aus.
    »Passen Sie auf«, fuhr er
eindringlich fort, »daß Ihre Leute täglich ihr Atebrin schlucken, sonst haben
sie Ihre Malaria weg — und auch mit dem Flecktyphus ist nicht zu spaßen, den
fangen Sie sich ein wie einen Tripper... Na, ich bin kein Arzt und wasche meine
Hände in Unschuld statt in Lysol.« Offenbar hatte sein Witz bei der Temperatur
etwas gelitten. Tatsächlich brannte die griechische Sonne erbarmungslos auf den
breiten Boulevard, der zum Symtagmaplatz führte, an dem das Büro oder die
Befehlsstelle der Truppenbetreuung lag.
    »Und vor allem«, beendete er seine
Begrüßungsphilippika, »keinen Kontakt mit der Bevölkerung, in keinsterweise
(Nazi-Neudeutsch), nur mit Wehrmachtsangehörigen und den Parteileuten. Vor
allem kein Brot an die Leute verschenken. Kommißbrot wiegt man hier mit Gold
auf, und man wird das Gesindel nie mehr los, wenn man nur einen halben
Brotkanten gegeben hat, die werden wie Wölfe. Sie wohnen im Grand Bretagne« — war
schwer genug, euch da unterzubringen, ihr könnt euch ›von‹ schreiben.
Verköstigung in der Wehrmachtskantine für Wehrmachtsgefolge am Omonia-Platz.
Übrigens, der königliche Jachtclub in Piräus ist jetzt das Kasino der deutschen
Reichsmarine im Ägäischen Meer — dort verkehren einige von der Gestapo überprüfte
Griechen, feine Familien, germanophile Akademiker, Industrielle — alles andere
ist Crapule. Verstanden? Heil Hitler!«
    Eine hungernde Großstadt — nun das
kannte man aus zwei Weltkriegen. Eine verhungernde Großstadt ist eine andere
Sache. Ein verhungerndes Land, das drückt sich so aus: verdorrte Felder,
verkommene Äcker, wasserlose Flußläufe, verendete Rinder, Skelette, verlassene
Hütten, Kadaver, streunende Schatten von Hunden und Katzen... Das war von
entsetzlicher Eindringlichkeit — aber vorstellbar.
    Eine verhungernde Großstadt
hingegen... äußerlich intakt, Avenuen und Boulevards, Plätze, Paläste und
Villen unzerstört, ja nicht einmal verkommen. Blumen blühen allemal wieder,
auch wenn die Hitze den Rasen verbrannt hat. Aber da geht ein junger Mann die
Straße vom Lykabettos herunter, bückt sich, weil sein irrer Blick in den Fugen
der Pflastersteine eine längst verlorene, verstaubte Rosine erspäht hat,
schiebt sie gierig in den Mund, geht zwei Schritt weiter und fällt um — tot...
Da fährt ein überfüllter Omnibus, an dem Menschentrauben hängen, gegen einen
Bordstein und Fahrgäste klumpen sich um den Fahrer, der vom Sitz gesunken wäre,
wenn er dazu Platz gehabt hätte. Auf dem Lande verhungert der Mensch so, wie
Pflanzen sterben: er verendet still. In der Großstadt ist der verhungernde
Mensch noch im Augenblick des Todes aktiv. So war es jedenfalls in
Griechenland, das nach dem Krieg vierhunderttausend Verhungerte zählte.
    Das auf allen Fronten angeblich
noch immer siegende Großdeutschland konnte seinen eigenen Nachschub kaum mehr
über die gebirgigen, partisanenverseuchten Landstrecken heranbringen. Die
kargen Bahnverbindungen waren laufend unterbrochen und die Frachtkapazitäten
gering. Die Marine mit ihren wenigen Schnellbooten hingegen vermochte den
Seetransport auch nicht aufrecht zu erhalten. Und der schwache, absprungreife
Bundesgenosse, der Achsenpartner, war selbst hilflos, auch ihm mußte geholfen
werden. Aber was wollte man an Hilfsgütern herantransportieren, wo man doch
einen Raubkrieg führte, Völker zu plündern beabsichtigte, also gewöhnt war, weg zutransportieren,
statt Hungernde zu ernähren. Zwar hatten die Engländer die Blockade
Griechenlands aufgegeben. Aber was auch das Rote Kreuz auf schweizerischen,
schwedischen und türkischen Schiffen heranbrachte, es genügte nicht und erhöhte
nur den Irrwitz und den Irrsinn der Situation. Was zudem aus dem ägäischen
Inselgewirr auf den verschlungensten Schmuggelpfaden der Wasserwege in die
Hauptstadt einsickerte und was man mit Gold und Dollars bezahlte, war
Schokolade und die ersten Nylonstrümpfe, Kunststoffe, ausgeklügelte Leckereien
und Delikatessen — aber keine Grundnahrungsmittel. Vor allem kein Brot. Und so
gab es in den Luxusrestaurants, in Konditoreien und Konfiserien am
Symtagmaplatz, am alten königlichen Schloß, im Universitätsviertel und bei
Geheimadressen viel Köstliches zu schlemmen im Austausch

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