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Das Filmbett

Das Filmbett

Titel: Das Filmbett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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ohne Model sinkt der Absatz von Zahnpasta,
Seifenpulver, Deodorants, Spülmitteln für familienfreundliche Wasserklos, aber
auch von holländischem Käse oder Agrarprodukten aus deutschen Landen frisch auf
den Tisch.
    Ein Model ist ein integrierter Faktor
der gesamten Volkswirtschaft und ihres Kreislaufes. Dazu braucht man allerdings
einige Voraussetzungen von hoher ästhetischer Werbekraft: schlanke Beine, lange
Schenkel, einen knackigen Po, dessen exakt richtiges Volumen man allerdings in
deutschen Industrienormen (DIN) festzulegen bisher versäumt hat, hoch
angesetzte Brüste, ein Delta, dessen sanfte Wölbung sich auch in kunstseidenen
Nachthemden — diskret wohlgemerkt — markieren muß und — last not least — ein
schönes Antlitz, das sich nach dem jeweiligen Zweck unschuldig oder mittelmäßig
verrucht oder auch nur dümmlich zeigt.
    Ein Model wird fotografiert,
fotografiert und wieder fotografiert. Stundenlang, tagelang, stehend, liegend,
sitzend, aufgestützt, vorgebeugt, kniend. Am nächsten Tag dasselbe zu einem
anderen Behufe. Mal in diesem Werbestudio, mal in jenem. Mal in dieser Stadt,
mal in jener. Mal im Gebirge, mal am Meer. Aus dieser Gegebenheit resultieren
innerhalb kürzester Frist einige unzweifelhafte Tatsachen. Erstens, daß die
menschlichen Bewegungsfunktionen und Ruhestellungen äußerst beschränkt sind.
Zweitens, daß der menschliche Gesichtsausdruck ohne eine zumindest
vorgetäuschte Mimik schnell unergiebig zu werden droht. Drittens, daß Kostüme,
Kleidungsstücke, Wäschereste, Schals und Schleier etc. bei allen Posen und
Positionen nur hinderlich sind, wenn sie ihrer Aufgabe, den Leib zu bedecken,
nachkommen, statt ihn partiell zu entblößen.
    Swantje fühlte sich als Model
wesentlich glücklicher denn als Mannequin, ging es doch jetzt um sie selbst,
nicht um ihre modische Entourage. Sie kam bei der Werbeindustrie auch gut an.
Daß sie als Werbeträger nunmehr zwar keine Schneiderkreationen anzupreisen
hatte, sondern einen Gebrauchsartikel, focht sie nicht an. Die Reklamespots
waren gegenüber den faden Modeschauen direkt ein Vergnügen. Sie konnte sich da
natürlicher geben, freier bewegen, gelegentlich sogar eine kleine Situation,
eine Handlung spielen und den einen oder anderen Satz sprechen. Alles hatte
etwas mit ihrem persönlichen Ausdruck zu tun.
    So figurierte sie — nachdem sie
Anschluß an eine größere Werbefirma gefunden hatte — als junges Mädchen (für
reine Haut), als junge Mutter (für Babynahrung), als Dame von Welt (für Sekt
besonderer Cuvée), als Mitglied des Jet-set (für ein vitaminreiches Sonnenöl) und
anderes mehr.
    Im Gegensatz zu den entweder zu
femininen oder zu korpulenten und gereiften Herren der Modebranche umgab sie
jetzt wesentlich mehr werbende und fordernde Männlichkeit. Dies versetzte sie
nicht in Panik. Ihre Einstellung war von Anfang an sachlich. Sie mochte den
Mann, aber nicht die Männer. Man konnte es auch umgekehrt sagen: sie mochte
Männer, aber nicht den Mann — bevorzugte somit mehr das Prinzip als die Person.
Was also da an begehrender Männerwelt am Wege oder im Weg stand, wurde, nach
genauer Abwägung von Wichtigkeit, Notwendigkeit und Ratsamkeit in freundlichem
Stil absolviert, oder, wie sie es nannte, abgeräumt, als Hürde kurz- oder
mittelfristig zur Seite gelegt.
    No problem für Swantje.
    Eine ernsthaftere Partnerschaft
mit einem Public-Relationstyp brachte ihr abermals ein berufliches Avancement,
machte sie jedoch mit der eigentlichen Malaise eines Reklamemodels bekannt.
Eine junge Schauspielerin hatte sie gewarnt: »Reklamespot ist wie Synchron.
Eine Sackgasse. Biste drin, kommste nicht weiter, höchstens wieder raus«, hatte
sie gesagt.
    Swantje wurde als ausschließlicher
Werbeträger für besonders aktive Rachenpastillen engagiert. Also exklusiv. Sie
durfte für nichts anderes ihren Körper als Reklametrommel benützen. Dafür gab
es einen dicken Vertrag und für den Verzicht auf andere Verdienstmöglichkeiten,
als Lohnausfall sozusagen, einen großzügigen Gagenausgleich. So weit, so gut.
    Sie machte für diese Firma
Werbespots auf dem Strand in Haiti, auf einem Vulkankrater in Hawai, auf einer
Stufenpyramide in Mexiko. Denn alle irgendwie Beteiligten, die Stabmitglieder,
die Funktionäre der Auftragsfirmen, der Filmhersteller, der
Public-Relation-Büros legten den größten Wert auf Erstklassigkeit, das heißt
auf weite Reisen, hohe Spesen, Flugtiketts für die Concorde und Luxusapartments
in Drei-Sterne-Hotels.

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