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Das Filmbett

Das Filmbett

Titel: Das Filmbett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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Bedürfnisse
glichen dem gesunden, aber undifferenzierten Appetit ihrer Generation, die in
McDonalds Freßläden, die jede Essenskultur in Europa mit yankeehafter
Brutalität zertrümmern, unbeschreibliche Big Macs, Hamburgers und Cheeseburgers
mit Unmengen ebenso fettigen wie geschmacklosen Pommes frites vertilgt und mit
Coca Cola aus Pappbechern in die Mägen spült. Sie war nicht wählerisch und bot
selbst keine ausgefallenen Perversitätchen. Die Genüsse an der Theke wie im
Bett mochten eben mal besser, mal schlechter sein, wie es im Leben so geht. Sie
war nie unzufrieden und hinterließ keine Unzufriedenheit.
    Nach Beendigung ihrer Schneiderlehre
fand sie — wohl infolge ihres Aussehens vom Personalchef bevorzugt — schnell
eine Anstellung in der Konfektionsabteilung eines größeren Warenhauses, wo sie
mit den geringfügigen Änderungen der von Kunden gekauften
Prêt-à-porter-Kleidung und der sexuellen Befriedigung des Abteilungsleiters
hinreichend ausgelastet war. Nachdem sie lange genug Ärmel gekürzt und
Rocksäume ausgelassen hatte, erklomm sie durch einen Zufall die erste Sprosse
der Erfolgsleiter.
    Während einer Modenschau des
Kaufhauses fiel durch private Umstände oder durch falsch kalkulierte Dauer der
Mondphasen ein Mannequin plötzlich aus, dessen Unpäßlichkeit keines der im
Fernsehen so gerühmten Mittel für die kritischen Tage der berufstätigen Frau
mindern konnte.
    Just als man die kecken Kostüme
der kommenden Bademode vorführen sollte, konnte also eine der jungen
Vorführmädchen den Blutfluß nicht hemmen. Swantje, die bei dieser Veranstaltung
als Hilfskraft teilnehmen mußte — bedurfte man bei solchen Gelegenheiten doch
immer wieder der Nadelarbeit eines flinken Nähmädchens — , wurde kurzerhand
veranlaßt, einzuspringen und wußte ihren textilkargen Tanga, ein kunstvoll
geschlungenes Lendenband, mit natürlichem Anstand so erfolgreich vorzuführen,
daß sie daraufhin die Schneiderwerkstatt mit dem Aufenthaltsraum der
Anziehdamen und ihren glatzköpfigen Maßschneider mit einem attraktiveren Rayonchef
vertauschen konnte. Hier wäre sie vollauf zufrieden gewesen — wenn nicht der
festangestellte Fotograf der Reklameabteilung des Hauses, der Aufnahmen für den
Versandkatalog und die Postwurfsendungen des Unternehmens machte, auf sie
aufmerksam geworden wäre und sich in sie verliebt hätte. Die Erwiderung seiner
Liebe lehnte sie ab, nicht aber die Forderungen seiner sexuellen Bedürfnisse.
Dies befriedigte ihn nur zum Teil — denn er beabsichtigte sie zu ehelichen — und,
um mehr bei ihr zu erzielen als die Saturierung seiner physischen Notdurft
setzte er Himmel und Hölle, d. h. alle seine Beziehungen zur Reklamebranche in
Bewegung und erreichte schließlich mit demonstrativen Vergrößerungen
außerdienstlich hergestellter Fotos ihre Erhebung zum Starmannequin. Sie
quittierte ihre Stellung im Kaufhaus und trat in eine erlesene Gemeinschaft von
Vorführdamen eines namhaften Modeateliers ein, wo man sie mit gebührendem
Mißtrauen und dinstinguierter feindseliger Reserve empfing. Denn sie fiel dort
zweifellos aus dem Rahmen. Der auserwählte Zirkel überschlanker,
schmalhüftiger, busen- und wadenloser Wesen von schattenhafter Erscheinung, die
ihr neutralisiertes Geschlecht nur noch durch vag andeutende Chiffren erkennen
ließen, deren endlose Gehwerkzeuge den Betrachter in ewigen Zweifel brachten,
ob diese dem Buchstaben O oder X des Alphabetes entsprachen, diese maskenhaften
Gesichter mit übertriebenen Lidschatten, maskaraerstarrten Kunstwimpern,
atropingeweiteten Pupillen, hohl getuschten Wangen, mit ihren zu klaffenden
Leibeswunden vergrößerten Mündern, in denen makellose Reihen von Jacketkronen
den Eindruck von unziemlicher Entblößung des eigenen Skelettes vermittelten — das
alles stand so sehr im Gegensatz zu der natürlichen, frischen und
vollplastischen Körperlichkeit der Neuen, daß Swantje es schwer hatte, dort als
ihresgleichen akzeptiert und anerkannt zu werden.
    Hätte es nicht zwischen den vielen
Kunstgeschöpfen ein farbiges Mannequin gegeben, unter deren anatomischer
Gliederstruktur ein menschliches Herz schlug, Swantje wäre unverzüglich aus
diesem Verein ausgetreten. Aber diese dunkelhäutige Kollegin, die aussah wie
eine äthiopische Prinzessin aus der Pharaonenzeit, brachte ihr soviel
freundschaftliche Zuneigung und Kameradschaft entgegen, daß sie die anderen
Zicken ignorierte und deren Arroganz mit Arroganz begegnete. Unbeschadet

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