Das Filmbett
Monarchie waren nun schon lange gestorben - und auch Frau Sacher - aber der späte Glanz des Reiches blieb erhalten wie der Ruhm des Hotels. Der Graf Kolowrat war tot, aber die Saschafilm lebte weiter und wurde geschätzt über die Grenzen der alten Monarchie hinaus, bis zum Ausbruch des tausendjährigen Grauens.
Mila blieb an der Spitze, bis nicht das Alter, aber das Wort ihrer Karriere ein unüberwindliches Hindernis entgegensetzte. Sie hatte noch vieles in ihrem Leben hinzugelernt, nur die deutsche Sprache nicht. Nicht die Falte im Gesicht war ihr Feind, sondern das Mikrophon. Aber Béla blieb der Regisseur der leichten Hand und des beschwingten Fußes, bis sein magyarisches Herz stillstand.
Und da ihr Leben aus Märchen bestand, wollen wir wie im Märchen schließen:
Obwohl sie schon gestorben sind, leben sie heute noch in der Filmgeschichte und in den Retrospektiven der Kinematheken und des Fernsehens.
Die Synchronsprecherin
Sie war ein Star - ganz zweifellos ein Star besonderer Art. Zwar stellte sie für das Publikum kein Leitbild dar und auch für die selbstgefälligen Cineasten konnte sie kein Objekt ihrer Apologien sein, denn sie wurde optisch überhaupt nicht existent. Sie stand weder in den dicken Künstleralmanachen mit den schmeichlerischen Glamour-Porträts, noch in den kleinen Filmnachschlagebüchern, die Aufnahmeleiter und Produzenten benützen, wenn sie nach Namen und Adressen suchen. Aber gar mancher eifrige Filzschreiber hatte ihre Anschrift und Telefonnummer - mit Ausrufezeichen versehen -auf den für eigene Eintragungen vorgesehenen leeren Notizblättern unter dem Buchstaben M eingetragen: Brigitte Maria Meier-Eschwege, Schauspielerin und Synchronsprecherin! Und oft befand sich hinter der zweiten Berufsbezeichnung in Klammern noch ein schwer entzifferbares Kürzel. Gelegentlich stand sie in diesen Adressenregistern auch unter dem rätselhaften Buchstaben O. Zum Schauspielberuf kam Brigitte Maria mehr durch Zufall als aus innerer Berufung. Ein beiläufiges Mitmachen bei einer Liebhaberaufführung hatte eine überaus banale Kette von Folgeereignissen, die zu einer Bühnenlaufbahn ohne besondere Berufsausbildung führten. Doch war ihr Talent ebensowenig ausgeprägt wie ihr Ehrgeiz. Aber ihr indolentes Phlegma machte sie nicht unzuverlässig oder schlampig, mit redlichem Ernst, aber ohne besonderes Engagement, unterzog sie sich den ihr gestellten Aufgaben, tat ihr Bestes und da sie ein gewisses Nachahmungstalent hatte, konnte sie leicht nachvollziehen, was ein Kollege oder Spielleiter ihr vormachte.
Sie war in Maßen hübsch und von hübschen Maßen, die einen Passanten auf der Straße weder veranlaßten taktvoll wegzusehen noch ihn zwangen, sie anders als im Unterbewußtsein angenehm zu registrieren.
Ohne eigentlich prüde zu sein, war sie an Sex wenig interessiert. Diese Tatsache hatte allerdings eine verständliche Ursache in einem Kindertrauma, das sie auf dem Großen Treck 1945 erlitt, als die Zehnjährige in einem Klassenzimmer einer ländlichen Zwergschule in Pommern, das den flüchtenden Frauen zur Unterkunft diente, drei Nächte lang Zeuge wurde, wie eine Orgie aussah, in der statt willfähriger Lust brutale Soldatengewalt die Ausschweifung bestimmte. Während ihre Mutter den Schock nie überwand - der Vater war im Donezknie geblieben -, heilte eine vergleichsweise ruhige Jugend in einem bayrischen Dorf die seelischen Wunden dieses Schreckens, ohne seine Narben ganz zum Verschwinden zu bringen.
Ihrer mäßigen Begabung entsprechend, führte sie ihre Laufbahn nie über kleine deutsche Provinzbühnen hinaus und der unzweifelhafte Höhepunkt ihrer Karriere bildete das Engagement an einem Städtebundtheater, das die Marktflecken und Kleinstädte des Landkreises bespielte, deren Kommunen sich kein festes Theater leisten konnten.
Ihren - wenn auch beschränkten - Erfolg als Schauspielerin und Mädchenfrau und eine gewisse Wirkung verdankte sie dem Umstand, daß Wesen und Erscheinung im Gegensatz zum damaligen deutschen Fräuleinwunder mit der weltläufigen Attitüde seiner Covergirls stand. Wenn man so will, war sie eher eine recht ansehnliche Weiterentwicklung des BDM-Typs des Dritten Reiches, für den es in ländlichen, großstadtfeindlichen Gegenden noch genug Verehrer gab. Da ihr unauffällig ansprechendes Aussehen jedoch mit keiner nationalen Ideologie verbunden war, enttäuschte sie letztlich auch die ewigen »alten Kameraden« und unverbesserlichen Nazis politisch wie erotisch. Sie
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