Das Filmbett
schließlich an einigermaßen verborgener Stelle der Regale auf einen Karton, der besondere Zeichen trug und mit Klebeband sorgfältig verschlossen war. Das Abspielen dieses »Schnürsenkels« zeigte ihr ihren verstorbenen Gemahl von einer unbekannten Seite. Mit diesem Magnetband enthüllte er ein Doppelleben, das sie nie bei ihm vermutet hätte.
Sexuell frustriert von seiner Frau - das Abspielgerät verriet es expressis verbis in einem der wenigen Dialogsätze -, hatte er sich mit vielen anderen Bettgenossinnen getröstet und -Hobby und Beruf glücklich verbindend - von diesen intimen Begegnungen mit oder ohne Wissen seiner jeweiligen Partnerin tonmeisterlich perfekte Aufnahmen gemacht. Zu diesem Zwecke mußte ihr Mann eine Absteige gehabt haben, in der eine raffinierte Tontechnik installiert war.
Hier kamen sie alle, die mehr oder weniger hübschen Mitarbeiterinnen ihres Mannes, die sie größtenteils persönlich kannte, zu eindeutiger Äußerung: die Tonassistentinnen, die Cutterinnen und weiblichen Cutterlehrlinge, die IRT-Absolventinnen, die Elektromechanikerinnen und Fernsehtechnikerinnen. Dann und wann gab es ein hitparadesüchtiges Schlagerstarlet oder eine Nachwuchsschauspielerin, die ehrgeizig oder gelangweilt war, was in diesem Falle zum selben Ergebnis führte.
Natürlich war dieses gesammelte und gestammelte Liebesgeflüster manipuliert, geschnitten, umgespielt, montiert. Vor allem waren die Exklamationen und Anweisungen ihres Mannes bis auf notwendige kurze Stichworte und Dialogsätze sorgfältig eliminiert, aber sonst fehlten nur die Leerläufe, die unexpressiven Pausen, die Sekunden, in denen die Damen ihre Sprache oder ihre Ausdrucksmittel noch nicht gefunden hatten. Ihr üblicher Gleichmut verließ sie zum erstenmal. Die Knie wurden ihr schwach. Gott sei Dank, daß die Kinder schon schliefen. Sie stand eine Weile unbeweglich, unfähig zu denken. Dann drückte sie die Rücklauftaste des Tongerätes, sie vermochte gerade noch die Haltetaste zitternd zu betätigen, bevor das Band aus der Rolle schlüpfte. Dann machte sie das große Licht des Wohnzimmers aus und knipste die heimelige Stehlampe an, löschte aber eine der beiden Lichtquellen wieder. Dann rückte sie einen bequemen Fauteuil nahe an das Tischchen mit dem Magnetophon und drückte - nach abermaligem Zögern - die Starttaste. Es geschah kein Wunder, das Tonband war kein böser Traum, keine Einbildung gewesen. Es lief mit schöner gleichmäßiger Geschwindigkeit ab und offenbarte abermals seine Geheimnisse.
Es war unleugbar seine Stimme, die mit plump-vertraulicher Diskretion erst eine Erika annoncierte, später eine Ivonne, Heidemarie, Annaluise, Ingrid und Barbara, Hilde und Ursel, Ute, Hannelore und Birte ... und andere Mädchennamen, deren Trägerinnen ihr aber unbekannt waren.
Was zwischen dieser con sordino gemachten Aussage aber lag, war eine einzige, vielsätzige Sinfonie weiblicher Lust, des Liebesrausches, der erregten Empfindung; des süßen Schmerzes und der delirierenden Wonne, der stöhnenden Erfüllung, des Sehnens und Wünschens, der verhaltenen Spannung und der wilden Gier, der jähen Gefühlsexplosion und der allmählichen Ermattung.
Eine Sinfonie mit heftigen Akkorden aber auch mit scherzhafter Anmut, mit allegro animato, allegretto con fuoco, presto furioso, mit pastosen Überleitungen und erregenden Staccato-Passagen. Hier wurde gewimmert und geseufzt, geschrien und gehaucht, wurden Liebesworte gestammelt und obszöne Vokabeln gebrüllt, hier wurde Unsagbares bittend und fordernd geäußert, Geheimstes dokumentiert, Unterbewußtes verraten.
Der Gossenjargon wurde zum Zärtlichkeitsbeweis, der heisere Brunst- und Wollustlaut war Gebet, Gebot, Befehl und demütiges Flehen.
Helle und tiefe Stimmlagen, Sopran, Mezzo und Alt, Mädchen- und Frauenstimmen wurden zum dithyrambischen Chor der Lust, der Brunst, des enthemmten Wollens und der dankbaren Erfüllung.
Es war sehr aufregend. Brigitte Maria rutschte immer tiefer in ihren Sessel, sie lag fast auf der Kante der Sitzfläche und ihre Hände verkrampften sich in ihrem Schoß, während sie den Blick nicht vom Tongerät zu reißen vermochte.
Da waren Passagen von seltsamer Innigkeit, die in einem Fortissimo des Unflates endeten und vulgäre, unverzauberte Äußerungen biologischer Gegebenheiten, die in einem unbeschreiblichen Diminuendo ersterbender Lust verklangen.
Das Band war ein Kunstwerk. Denn - Brigitte mußte es zugestehen - alle diese Frauen wurden in ihrem
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