Das Filmbett
war so nützlich wie eine Marschverpflegung, so praktisch wie ein Taschenmesser, gebrauchbar und weglegbar. Brigitte Maria blieb gleichmütig, wenn man sie nahm und unverwundbar gleichmütig, wenn man sie verließ. Und letzteres geschah immer wieder, obwohl sie keinerlei Kontaktschwierigkeiten hatte. Sie wurde als erotischer Blindgänger abklassifiziert, wobei man das spöttische Witzwort vom »Frigittchen« arg strapazierte.
Als ein Filmteam in ihrem Tourneebereich eine Heimatschnulze drehte, durfte das ganze Ensemble mitstatieren. Für die des Mikrofons unkundige Brigitte Maria fielen einige Dialogsätze ab, die der Tonmeister, ein uriger Bayer, aus Deutlichkeitsgründen mehrfach monieren mußte, was dazu führte, daß sie ihn im Dorfgasthaus näher kennenlernte und ihn bald darauf heiratete.
Sie gab ihren Beruf ohne das geringste Bedauern auf und wurde - was sie im Grunde immer war - Hausfrau, Bürgerin und - nach einiger Zeit - Mutter.
Sie lebte zwischen Staubsaugen und Kindersäugen das Leben einer bundesdeutschen Konsumentin der gehobenen Einkommensstufe, vor allem, nachdem ihr Mann vom krankgewordenen Film zum Fernsehen gewechselt war und bald Pensionsansprüche geltend machen konnte.
Sie ertrug anfänglich zweimal die Woche, später zweimal im Monat stumm und ergeben die röhrende Besteigung durch ihren Mann, der sich umgehend und einigermaßen verächtlich nach getanem Werk wortlos von ihr abwandte, und schließlich überhaupt keine Notiz mehr von ihr nahm, was sie mit gewohntem Gleichmut quittierte.
Trotzdem blieb ihr Familienleben weiterhin intakt und im wesentlichen konfliktlos. Ihren Kindern wurde sie eine gute, aber keineswegs übertrieben betuliche Mutter.
Die Eintönigkeit ihres Haushaltsdaseins wurde unterbrochen, als sie - ohne sich dafür zu bewerben - die Hauptfigur eines Werbespots für Waschmittel wurde, für den ihre unauffällige Durchschnittlichkeit den Verkaufspsychologen gerade richtig erschien. Die dreijährige exclusive Gelegenheitsarbeit verschaffte dem Familienbudget des Tonmeisters eine nicht unbeträchtliche Aufbesserung. Die erhöhten Einkünfte schlugen sich in ihrem Lebensstil nieder: Eigenheim und Zweitwagen, elektrische Konsumgeräte, Statussymbole und was alles so dazugehörte.
Da sie nie ein berufliches oder künstlerisches Prestigebewußtsein gekannt hatte, machte es ihr - im Gegensatz zu vielen ihrer Kollegen und Kolleginnen - nichts aus, aus dem Schauspielerberuf in den Schaustellerberuf zurückzufallen und statt der Funktion des Marktschreiers früherer Zeiten nun die des Marktsprechers der Verbraucher- und Industriegesellschaft zu übernehmen. Sie war ein idealer Werbeträger, sie pries ihren Markenartikel so natürlich an, daß ihr Werbeslogan sprichwörtlich und umgangssprachlich wurde, ohne daß man ihn mit ihrem persönlichen Erscheinungsbild verband.
Als die Auftragsfirma dem Artikel ihrer Werbung schließlich ein neues Image verpassen wollte, verlor sie ihren temporären Nebenjob. Dieser bedauerliche Umstand trat zusammen mit einem Betriebsunfall ihres Mannes, dem dieser nach längerem Siechtum erlag.
Um sich und ihren Kindern den gewohnten Lebensstandard zu erhalten, war Brigitte Maria gezwungen, sich um eine Arbeit zu bemühen.
Das war gar nicht so leicht. Um in den Clan bevorzugt beschäftigter Fernsehdarsteller aufgenommen zu werden, reichten zwar - dank des Berufes ihres Mannes - ihre Beziehungen, aber nicht ihre Talente. Kellertheater zahlten keine nennenswerten Gagen, für den Kulturbetrieb der staatlichen und städtischen Subventionsinstitute kam sie erst gar nicht in Frage. Auswärtige Engagements oder Gastspieltourneen verhinderte die Bindung an Haus und Kinder.
So verdiente sie das nötige Zubrot zu Witwengeld, Sparbankzins und zu der günstig angelegten Unfallversicherungssumme durch gelegentliche Synchronisationen, für die sich ihre Nachahmungs- und Nachempfindungs-Begabung als Vorteil herausstellte. Allerdings gelang es ihr auch hier nicht, sich den Dauerbesitz der »deutschen Stimme« eines großen ausländischen Stars zu sichern und damit den Schwankungen des gefährdeten Synchronisationsgewerbes weniger ausgesetzt zu sein.
Als einmal ein Kollege ihres Mannes ein angeblich an ihn ausgeliehenes Tonband zurückforderte, machte sie sich daran, das hinterlassene private Tonarchiv zu sichten, oder besser abzuhören und zu ordnen. Nach Prüfung unzähliger Ton- und Geräuschbänder - unter denen sich auch das gefragte befand -, stieß sie
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