Das Filmbett
wurden. Im Gegenteil. Ihretwegen hätte es noch lange so weitergehen können, und der Regisseur war ihr viel zu früh zufriedengestellt, denn es war, wie sie immer wieder zu versichern wußte, der schönste Tag ihres Lebens.
Die Vorwarnung und der rasch darauf folgende Alarm kam überraschend. Die Sirenen heulten mißtönend in die fröhliche Blasmusik der Vereinskapellen hinein, die beim Abmarsch vom Friedhof als lebensbejahender Abschied vom Tode bei allen ländlichen Trauerfeierlichkeiten üblich ist.
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Nein, es geschah nicht das, was jeden Drehbuchschreiber zu einem billigen Unhappyend verführt hätte. Das Leben ist nicht immer ein skrupelloser Dramaturg, für den die gröbsten Effekte die besten sind. Das ganze Filmteam kam unbeschadet in die Luftschutzräume - als letzte Fräulein Mathilde Buchsbaum, die eigensinnig darauf beharrt hatte, daß auch ihr Sarg in Sicherheit gebracht werden müsse. Was sportlich, intelligent und mitfühlend zwei französische PG's, (nicht Parteigenossen, sondern Prisonier de Guerre, Kriegsgefangene) bewerkstelligten, die an diesem Tage, wie es damals geschah, zu Abbau-Arbeiten auf dem Filmgelände abkommandiert waren. Sie zeigten sich an Haltung und Gelassenheit den kostümierten peußischen Junkern überlegen und an jener Disin-voltura, die Ernst Jünger so sehr schätzte.
Nein, nichts Spektakuläres ereignete sich mit Fräulein Buchsbaum und ihrem Kleinod, es sei denn, daß sie eine Gage für ihre Mitwirkung an dem schönen Tag beleidigt und energisch ablehnte.
Der Sarg fand wieder seinen Platz in der Auslage von Strempels Beerdigungsinstitut in Potsdam. Und Fräulein Buchsbaum kam täglich zweimal an ihm vorbei und betrachtete ihn still und, wenn möglich, noch inniger als vorher - mal länger, mal kürzer, wie die Zeitumstände und die im Volksempfänger gemeldeten Feindeinflüge auf deutsches Reichsgebiet es gestatteten.
Bis eben, eines Tages, kurz bevor die Russen einmarschierten, kein Fräulein Buchsbaum mehr vorbeikam und auch die Anwesenheit eines prächtigen Sarkophags in einem leeren Bestattungsinstitut nicht mehr feststellbar war, weil sich selbiges in Schutt und Asche verwandelt hatte.
Eine Nachfrage bei der Friedhofsverwaltung in Potsdam ergab, daß man um diese Zeit die Bombenopfer ganz allgemein in Papiersärgen beerdigt hatte.
Der Kinderstar
Wissen Sie, was das ist, ein Kinderstar? Nö, Doktorchen, das wissen Sie nich! Aber ich weeß das ... Ich war nämlich einer ... Viele sagen ein Scheißleben ... Ja und nein ... Jedenfalls nicht so, wie man's in den Illustrierten liest... ›Die armen ausgebeuteten Kinder, die dressierten Affen, die altklugen Kindergreise, denen man die Jugend geklaut hat, die selige Kinderzeit .. .‹ - Nö, so is es partout nicht ... jedenfalls weeß ich nischt davon ... Nicht, daß ich damals nicht auch gerne mal mit Jungs Fußball gespielt hätte und Räuber und Schandarm. Ich war gerne Kinderstar ... Gibt es 'nen schöneren Abenteuerspielplatz als die Filmstudios - und was das Spielen mit Altersgenossen betrifft - ehrlich -, mir waren eigentlich die Erwachsenen als Spielzeug immer lieber ...
Sagen Sie mal, Seelendoktor, Ihre Ledercouch ist aber ziemlich kühl unter meinem Hintern. Muß das so sein und dient es der Seelenerforschung? Ich hab' nämlich drunter wenig an ... Nun sei'n Sie nicht so streng, ich komm ja schon zur Sache!
Eltern wollen immer, daß die Kinder ihr Leben fortsetzen. Kann ich verstehen. Aber wenn ich so höre: Mein Sohn oder meine Tochter soll es mal besser haben als ich ... da werd' ich ganz krank ... Ehrlich, Doktorchen. Da solln doch die Kinder nur das leben, was die Alten als besseres Leben empfinden ... und das ist doch meistens ein verstunkener Käse ...
Und was die Eltern von Kinderstars betrifft... Der Vater will meist nur Geld herausschlagen. Und die Mutter wünscht sich für ihr Kind den Erfolg, den sie selbst nie hatte. Kinderstars sind meist die Sprößlinge von Nieten und Versagern der Branche, von Nie-zum-Zug-Gekommenen - und nu soll das Kind den Ruhm auf sich häufen, den sie nie erworben haben ... im Strahlenglanz der Scheinwerfer stehen und so ... Ist Ihnen nie aufgefallen, daß Kinderstars nie einen Künstlernamen haben, immer den ihrer Mutter oder ihres Vaters ... Hören Sie die Nachtigall trapsen? Fragen Sie mal die Mutter von so 'nem Wunderkind. Ist eine brave Hausfrau und meist ganz bürgerlich. Aber kratzen Sie an ihr, dann kommt heraus, daß sie mal Schauspielerin werden wollte oder
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