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Das Filmbett

Das Filmbett

Titel: Das Filmbett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthologie
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der Aufbahrung nämlich. Als ich sachte, et wär der George, da war det Eis jebrochen. Den hätt'se schon immer jerne jesehen. Et wär' ihr eine Ehre, ihm ihren Platz einzuräumen, sachte sie janz ernsthaft. Et war direkt makabäer. Und denn wollte sie unbedingt bei die Uffnahmen dabei sein. Sie könnte ja krank feiern in ihrem Büro. Ick hab' Ihr Einverständnis vorausjesetzt, Doktor, anners hätt ick ihn nicht jekriegt. Sie will janz sticke dabei sitzn und keen Mucks tun. Ick hab' ihr erzählt, wie wir det inszenieren. Mit ville Kerzn und Kandelaber, verhängte Spiegel und Fenster und so. Det machte Eindruck. Bei ihr würd'et sicher nicht so scheene sin. Direkt neidisch wurde sie. Hier, det Foto von dem Sarch hab ick ihr ooch noch entrissen ...« Es war ein prächtiger Sarg.
4
    Große Mittelhalle. Der Salon des verblichenen Gutsherrn war aufgebaut, wie es im vorletzten Jahr des totalen Krieges kaum zu erwarten war. Späte Neugotik hatte Pauly gesagt. Viel dunkles Holz, klobige Möbel mit dem ornamentalen Zierwerk gotischen Chorgestühles, Panneele, die in gedrechselten Kreuz- und Rosettenmustern ausliefen, dunkle Vorhänge mit Holzringen an dicken Querstangen. In der Mitte des düsteren Saales gespenstig im Flackerlicht der schweren, kunstvoll verzierten Wachskerzen - weiß der Teufel, wo Pauly diese Dinger aufgetrieben hatte -, der offene Sarkophag, der sich überaus dekorativ ausnahm. Die brennenden Meisterwerke der Wachszieherkunst weinten schwere Tränen der Trauer, die an den dicken Kerzenschäften zu tropfsteinähnlichen Gebilden erstarrten.
    George war rülpsend und fluchend im Frack mit Ordenskette in den Sarkophag geklettert, dank der massiven Unterstützung durch zwei Garderober, hatte sich genüßlich darin ausgestreckt, die Augen geschlossen. »Jottseidank, eenmal kein Dialog, schööön!«, berlinerte er. Masken- und Kostümbildnerin machten an ihm herum, arrangierten die Frackkrawatte neu, legten die Orden ordentlich auf seiner Brust aus und zupften an seiner weißen Weste. Die Leichenblässe wurde sorgfältig nachgeschminkt, der Schnurrbart gebürstet. Er ließ alles an sich geschehen und rührte sich nicht. Den ganzen Drehtag lang machte es dem Urkomödianten Freude, einen Toten zu spielen. Er kletterte nur aus dem Sarg, wenn seine schwache Blase es ihm befahl. Und natürlich, die Mittagspause veranlaßte ihn, eine weltlichere Welt aufzusuchen: den Prominentenraum der Ufa-Kantine.
    Es war eine große Szene, die man da drehte. Der zum Stadtmenschen gewordene Sohn, aus dem Bannkreis stockkonservativer Agrarier in intellektuelleres Gelände »desertiert«, wie der Alte es getadelt hatte, hält bei seinem Vater die Totenwache und Gerichtstag mit ihm - und mit sich selbst. Eine starke monologische Auseinandersetzung mit stillen Passagen und eindrucksvollen Ausbrüchen.
    Die Aufnahmen - lange Einstellung mit Fahrten und Schwenks, die den hadernden Sohn durch den großen Raum führten, dessen Zentrum der Sarg mit dem verblichenen Gutsherrn und Vater blieb, kosteten Zeit. Aber niemand verlor die Geduld, weder der Regisseur, der Darsteller des Sohnes, noch die Techniker oder die Polenmädchen an den Scheinwerfern. Auch die renitenteste von ihnen schien ihre Grämlichkeit vergessen zu haben. George schnarchte in seinem Sarg so leise, daß der Tonmeister keine Schwierigkeiten hatte. Ein ruhiger aber anstrengender und erfolgreicher Arbeitstag.
5
    Im Regiestuhl - ehrenhalber! - saß Fräulein Mathilde Buchsbaum. Sie störte wahrlich nicht - obwohl sie ohne Unterlaß still vor sich hinweinte. Sie trug ein Kapotthütchen mit schwarzem Trauerschleier, ein schwarzes Kleid und die schwarzen Schuhe einer Krankenschwester, und es wäre lächerlich gewesen, wenn sie nicht soviel Rührung ausgestrahlt hätte, die sich jede mokante Bemerkung verbat.
    Schwer zu sagen, was sie mehr anrührte, was sie letztlich so bewegte. Sentimentalität, das heißt, unpräzises Gefühlswallen oder echte Ergriffenheit, ein verschrobenes Selbstmitleid, entstanden durch die Projektion der eigenen Person auf den - angeblich - Toten oder der vage Aspekt einer berechenbaren Zukunft? Heroische Todessehnsucht, idealisiertes Nicht-mehr-Sein, war es sicher nicht. Kleinbürgerliche Lust am Endgefühl - niemals.
    In der Mittagspause blieb sie sitzen und kramte aus ihrem Beutel eine kleine Schokoladenration. Eine Einladung der Aufnahmeleitung in die Kantine lehnte sie ab, ebenso Ersatzkaffee (die übliche Kriegspleurre) oder eine Flasche dünnen

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