Das Filmbett
Katastrophenbieres. Früher zurückgekommene Bühnenarbeiter wollen gesehen haben, daß sie aus einem altertümlichen Flakon etwas gekippt habe. Es muß kein Weinbrand gewesen sein, etwas Medikamentöses, Herzstärkendes war wahrscheinlicher.
Der Drehtag ging zu Ende - störungslos -, die Sequenz war im Kasten und zwar bestens - wenn Materialmängel und zeitbedingte Schäden in der Kopieranstalt den künstlerischen Bemühungen keinen Strich durch die Rechnung machten.
Als sich der tote Gutsherr, alias Heinrich George, mit Hilfe der Garderober und einiger Bühnenarbeiter aus dem Sarg erhoben hatte und die eingeschlafenen Glieder bewegte, nicht ohne in seiner Frackhose bei diesem Bemühen einen lange unterdrückten Laut von sich zu geben, wandte er sich schließlich Fräulein Buchsbaum zu und meinte mit der routinierten Leutseligkeit des Prominenten: »Et wohnt sich eijentlich ganz jut da drin ... Jedenfalls herzlichen Dank für das Logis«, worauf das Fräulein, das sich zu ihrer ganzen Kleinheit erhoben hatte, einen Knicks machte und mühsam ein: »Es war mir eine Ehre«, stammelte. Dann bat sie um ein Autogramm. Nicht auf ein Foto, ein Stück Papier, um das sich der Regieassistent sofort zu bemühen suchte - nein, auf die Innenseite des Sarkophagdeckels sollte es verbracht werden, in Kopfhöhe, so daß man es immer und ewig vor dem Gesicht hatte.
Ein Dermatograph war aus dem Schminkkasten der Maskenbildnerin rasch zur Stelle, der Sargdeckel wurde von Bühnenarbeitern aufgerichtet, ein Hocker darvorgestellt, damit es der Herr Schauspieler auch bequem habe. Und dann malte dieser mit viel kalligraphischem Bemühen sein Sprüchlein, bei dem er seinen mephistophelischen Sarkasmus nicht unterdrücken konnte, und beendete das Werk mit dem genialen Schwung seines Autographs. Da konnte man dann lesen: »Trautes Heim - Glück allein, dies wünscht in hoffentlich ferner Zukunft H.G.«
Takt und Geschmack war nie seine starke Seite gewesen.
Fräulein Buchsbaum hatte noch einen »letzten Wunsch«. Er wurde ihr gewährt, die Kostümbildnerin gerufen. Es ging um den morgigen Drehtag. »Feierabend«, sagte der Regisseur. Es gab keinen Voralarm. Die Nacht sollte ruhig bleiben.
6
Am nächsten Tag stand die Beerdigung auf dem Drehplan. Der Himmel über dem Devisenhügel entsprach den dramaturgischen Forderungen des Drehbuches. Schwere Wolken hingen tief über dem dörflichen Gottesacker und nur ein heller Rand am Horizont ließ die schwarzen verwitterten Grabkreuze wie Silhouetten dunkel gegen den Himmel stehen. Das Grab war bereits geschaufelt. Die Trauergemeinde der marienwerderschen Honoratioren mit ihren Damen, die Gutsnachbarn mit ihren Familien, ja sogar ein wilhelminischer Gardeoffizier mit schimmernder Brünne und silbrigem Adlerhelm - jenau wie Lohenjrin, meinte der boshafte Opa des Drehbuches ~, gaben dem Verblichenen das Geleite, und natürlich waren die Schützenvereine und die Feuerwehrkapellen aufmarschiert. Dann folgte das Gesinde, die Tagelöhner, Kinder - wie der Brauch es eben wollte.
In der Gruppe der Würdenträger und der adeligen Gutsbesitzer, also in einer der vorderen Reihen humpelte auch Fräulein Buchsbaum - offensichtlich nicht gut auf den Beinen - mit, stilgerecht eingekleidet in einem vornehmen Trauerkostüm, wie es seinerzeit Drecoll nicht schöner für den kaiserlichen Hof hätte entwerfen können, und einem wippendem Wagenrad von Schleierhut auf der kunstvollen, zeitgerechten Frisur, zwar klein von Wuchs aber imposant in der Haltung. Das sorgfältige Make-up allerdings lieferte sich in der Folge einen vergeblichen Kampf mit den Tränen der Ergriffenheit bei den salbungsvollen Worten des Herrn Pastors. Der von den engsten Freunden des Verstorbenen getragene Sarg wurde schließlich an den Gurten zu Grabe gelassen, Schäufelchen von Erde ihm nachgeworfen, wobei der Regisseur nicht versäumte, die Anweisung zu geben, den Sand ja neben den Sarg zu schütten, um ihn nicht zu beschädigen. Die Trauergemeinde, nun ganz an den Grubenrand getreten,
richtete die letzten Grüße an den Toten, die Hauptdarsteller mit den vorgesehenen Sätzen, die Kleindarsteller und Statisten mit unverständlichem Gemurmel. Auch Mathilde erwies dem Dahingegangenen die letzte Ehre. So perfekt war sie in ihrer Rolle, daß man annehmen konnte, sie wäre schon bei vielen Bestattungen Trauerzeuge gewesen. Sie war wohl die Untröstlichste von allen und es machte ihr nichts aus, daß alle Einstellungen immer und immer repetiert
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