Das Filmbett
wie es hieß -, von der der eine nur noch wußte, daß es dort infernalisch stank und der andere, daß es Auschwitz hieß oder ähnlich. Den Namen des bedeutungslosen Ortes konnte man wirklich rasch vergessen, er gab dem Conferencier höchstens Gelegenheit, zu einigen auschwitzlosen Kalauern.
In Wehrmachtszügen hatte man Tieffliegerangriffe erlebt und gelernt, sich auf den Boden des Abteils zu werfen oder sich aus den Waggontüren des plötzlich haltenden Zuges an dem Eisenbahndamm heruntergleiten zu lassen, um im Straßengraben oder Randgebüsch Deckung zu finden.
Nun war man von einem Gastspiel am Soldatensender Belgrad kommend und der Lilli Marleen reichlich überdrüssig, im Zug nach Athen. In Nish waren vor die Lokomotive einige offene Transportwaggons rangiert worden, die ersten blieben leer, um eventuelle Minen vorzeitig zur Explosion zu bringen, auf dem letzten war ein Kampfpanzer stationiert, der seine Kanone bewegte, wie eine Schnecke ihre Fühler.
Nach Üsküb, Skopje, kam man in das gefürchtetste Partisanengebiet, das Wardartal entlang durch die beiden Mazedonien, in denen bulgarische Freiheitskämpfer mit den jugoslawischen Freischärlern Titos und diese mit griechischen nationalen und die wieder mit kommunistischen Guerillas kämpften, und alle zusammen, die nationale EDES und die kommunistischen EAM einen unerbittlichen Krieg gegen die deutschen Okkupationstruppen und ihren Nachschub führten.
Wieder gab es Aufenthalt. Rechts sah man die Reste einer kleinen halbzerschossenen Bahnstation, auf Nebengleisen einige ausgebrannte Eisenbahnwagen, deren Stahlgerippe bereits rostbraun gefärbt waren, auf der anderen Seite stand eine dichte Waldgruppe vor dem Hintergrund verkarsteter Höhenzüge. Maschinengewehrsalven und Flintenschüsse, Handgranatenexplosionen. Auf der gegenüberliegenden Seite der Bahnhofsruine erhob sich plötzlich helles Kindergeschrei. Zerlumpte Halbwüchsige streckten Eier und magere Hühner zum Kauf oder Tausch an die Fenster des Abteils. Auf der einen Seite des Zuges herrschte Krieg, auf der anderen ein fragwürdiger Friede. Oder war es eine Falle? Sollte man sich unter die Bänke verkriechen, um einer Maschinengewehrsalve zu entgehen oder die Fenster öffnen, um einen Gütertausch vorzunehmen, denn die Reise endete schließlich in einem Hungergebiet ... Als hätte sich nichts ereignet, setzte der Zug plötzlich seine Fahrt fort, mal schrittweise langsam, mal schneller, wie ein furchtsames Kind nachts im Wald.
Man fuhr durch Thessalien, ließ Saloniki hinter sich, fuhr das Tempetal entlang, wo im Flußbett einige englische Kampfwagen verlassen standen wie Elefanten im Wasser. Beim Olympiagebirge kam man ans Meer - oder war es umgekehrt? Dauerte die Fahrt zwei Tage oder drei? Man wußte es nicht. Irgendwann nachts mußte man den Zug verlassen, stieg in holzgasgetriebene Omnibusse um, die keuchend und stotternd versuchten, so schnell wie möglich über die Bergpässe zu gelangen. Aussteigen und Halten war verboten: Typhusgebiet. In der dunklen mondlosen Nacht hörte und sah man nichts von den in Wahrheit gottverlassenen Ortschaften. In Larissa stieg man wieder in den Zug, es wurde wieder Tag und irgendwann kam man in Athen an.
Der Empfang des Truppenbetreuungsensembles durch die »Kraft durch Freude«-Organisation in Athen war alles andere als emphatisch. »Sind denn die in Berlin im Arsch verbohrt«, wetterte der Kulturoffizier in der Universitätsstraße im rüden Landserton, »schicken uns noch anderthalb Dutzend Fresser. Wissen die nicht, daß wir hier Hungersnot haben, Hungersnot, wissen Sie, was das bedeutet«, meinte er zum schweigsamen Tourneeleiter. Trotz seiner brüsken Kritik der Reichshauptstadt Großdeutschlands war er unverkennbar bräunlich angehaucht. Nazischriftsteller hatten so ein gewisses Aroma. Nach Kölnisch Wasser und Rasierseife duftend, strömten sie den Geruch peinlicher Sauberkeit aus.
»Passen Sie auf«, fuhr er eindringlich fort, »daß Ihre Leute täglich ihr Atebrin schlucken, sonst haben sie Ihre Malaria weg - und auch mit dem Flecktyphus ist nicht zu spaßen, den fangen Sie sich ein wie einen Tripper ... Na, ich bin kein Arzt und wasche meine Hände in Unschuld statt in Lysol.« Offenbar hatte sein Witz bei der Temperatur etwas gelitten. Tatsächlich brannte die griechische Sonne erbarmungslos auf den breiten Boulevard, der zum Symtagmaplatz führte, an dem das Büro oder die Befehlsstelle der Truppenbetreuung lag.
»Und vor allem«, beendete er
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