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Das Filmbett

Das Filmbett

Titel: Das Filmbett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthologie
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Flaschen auf dem Tisch waren voll, die Aschenbecher leer. Als dann der dramaturgische Engpaß durch einen genialen Einfall beseitigt wurde, einen allseits bewunderten Einfall, wußte ich, daß der Film nie gedreht werden würde. Spät abends waren wir von dem französischen Co-Produzenten zur neuen Show in das »Lido« eingeladen. Wir hatten das Jahr 1954, und dreizehn Jahre waren seit meinem zweiten Besuch im »Tabarin« vergangen. Man wies uns den reservierten Tisch zu. Die erste Show hatte gerade angefangen. Auf der anderen Seite der hochgefahrenen Floorshowbühne, zwischen den jenseitigen Tischreihen und immer wieder verdeckt durch die wirbelnden Bluebellgirls, glaubte ich einen kurzen Moment eine mir bekannte hohe, schmale Gestalt zu sehen. Diskret schwarzes Kleid mit weißem Zierkragen, im Haar eine weiße Strähne -eine Art Empfangsdame, eine leitende Angestellte des Etablissements? Aber sie hatte sich schon abgewandt und Miß Blue-bells Girls fegten gerade mit rauschenden Kostümen und ihren in Netztrikots vergitterten Gliedmaßen vorbei, erzeugten parfümgeschwängerte Sturmböen und verwehten mit einer gekonnten Wischblende das Bild.
    In der Pause überreichte mir der Nubier, der dort den Mokka serviert, ein Briefchen. Es war ihre Schrift:
    »Mon cher ami, ich bin glücklich, Sie wenigstens kurz, aus der Entfernung, gesehen zu haben. Mir geht es gut, von Dir weiß ich es. Aber versuche nicht, mich nahe zu sehen.
    Nicht, daß ich mich meines Alters oder meiner grauen Strähne im Haar schäme, sie kleidet mich recht gut. Aber die kleinen tätowierten Zahlen an meinem Handgelenk sind kein besonderer Schmuck, wenn auch ein Souvenir aus Deutschland. In love, Gilberte.
    NB: Kümmere Dich um die beiden blonden Zwillinge. Sie sind deutsche Mädchen und werden Karriere machen. Sie verdienen es, sie sind vom Metier.«

Truppenbetreuung
    Wie bei jeder Tournee war auch gegen Ende der Fronttheatertournee 1942 das Ensemble sich spinnefeind geworden und in eigenbrötlerische Einzelpersonen und kleinste Interessengrüppchen zerfallen. Der ohnedies höchst introvertierte Tourneeleiter, der immer weniger Kontakt zu seinen Leuten hielt, hatte, wie stets, seinen Fensterplatz im Wehrmachtszug eingenommen und war nicht ansprechbar, Komiker und Conferencier spielten Schafkopf ohne vergrimmt mehr zu äußern als die notwendigsten Annoncen des jeweiligen Spielverlaufes. Die naheliegende Interessen- und Bettgemeinschaft zwischen dem Gesangsbuffo und der Tanzsoubrette war längst schmählich zerbrochen und ähnelte einer mürb gewordenen Ehe, die jählings in Haßaffekte ausbrechen konnte. Die weiblichen Mitglieder widmeten sich verbissen ihren Handarbeiten, die nach Fertigstellung aus Materialmangel wieder aufgetrennt wurden, was auch - allerdings aus anderen Motiven - Penelope, die Gattin des Odysseus getan hatte. Einig waren sich alle Ensemblemitglieder nur in der Ablehnung der »Huppdohlen«, der Mädchen aus der Tanzgruppe. Diese hatte ihre Gründe nicht nur in der Verachtung der animierenden Wirkungen der billigen Kunstausübungen der »Girls«, sondern weil diese »Mistbienen« die johlendsten Ovationen der Landser empfingen und damit verbunden, Zigarettenrationen, abgesparte Lebensmittelkarten, schwarz organisierte Würste, Speck und Eier kassierten. In den Horsten der Jagd- und Bomberstaffeln gab es zudem noch Fliegerschokolade, aber auch Pervitintabletten und manche Stücke ziviler Beutezüge: französischen Cognac, Parfüme, Seidenstrümpfe und dergleichen mehr. »Dem Reiz seine Wäsche«, meinte ein glatzköpfiger Etappenhengst und wähnte sich -»oh làlà« - im Besitz echt gallischen Esprits.
    Die Truppe war einiges gewohnt. Auftritte in zugigen Scheunen, feindliche Bombenüberfälle auf Flugplätze, während sie in dem Offizierskasino noch heimatliche Heiterkeit zu verbreiten suchte. Schlechte Unterbringung in Wehrmachthotels und improvisierten Quartieren, Seidenbetten in Luxusherbergen und schmutzige Matratzen in Massenunterkünften. Militärische Essensrationen in Kantinen, im Freien an der Gulaschkanone - man war ja Wehrmachtsgefolge -, und friedensähnliche Galadiners bei Parteifunktionären. Bonzen und honorable Kollaborateure, Quislinge in Norwegen, Laval-Anhänger in Frankreich, wechselten sich ab. Man hatte ein trostloses Gastspiel am Weihnachtsabend absolviert, von Breslau aus im sorgfältig verhängten Wehrmachtsomnibus kommend. Man spielte in der Baracke der SS-Wache einer höchst geheimen Waffenfabrik -

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