Das Filmbett
tatsächlich auch deutschorientierte Intellektuelle, obwohl man sie kaum als nationalsozialistische Trittbrettfahrer bezeichnen durfte. Sie suchten dort vielleicht die deutsche Humanitas, die sie liebten und bei den übrigen Besatzern nicht fanden. Zweifellos war die großdeutsche Marine am wenigsten hitlerhörig und man übte dort am Regime heftige Kritik. Der Club war jedenfalls spitzel- und gestaporein. Unter den einheimischen Besuchern befand sich ein junges Mädchen - wir wollen sie Helena nennen -, die Bilderbuchschönheit einer Hellenin aus bester Familie, mit schwarzen Haaren und dunklen Augen, groß, schlank, ohne die Neigung griechischer Frauen, dick zu werden und begabt mit einem betörend schönen, ausdrucksvollen Mezzosopran, den sie bei dem besten Stimmpädagogen Athens ausbilden ließ. Diese Beschreibung ihrer Person klingt klischeehaft, aber dieses Klischee war vielleicht ihr bestes Tarnkleid, das die Geheimnisse ihres jungen Lebens kaschierte. Sie hatte bereits einen Vertrag mit der Athener Oper und wurde - um dies vorweg zu nehmen - in späteren Jahren ein großer Opernstar, der an der Met ebenso zu Hause war wie an der Scala, im Münchener Nationaltheater wie an der Wiener Staatsoper. Aber noch war ihr Vaterland in einen Weltkrieg verwickelt, ein mörderischer Bürgerkrieg sollte folgen, in dem es ein Königtum, eine blutige Obristendiktatur, zwei Demokratien hinter sich brachte, eine Dynastie, viele Gewaltopfer und die halbe Insel Cypern verlor.
Helena entzückte den Marinestab nicht nur durch den Reiz ihrer Persönlichkeit und ihrer attraktiven Erscheinung, sondern auch durch die Darbietung ihrer außergewöhnlichen Stimmbegabung. Sie ließ sich nicht lange bitten, als gern gesehene Besucherin der Fronttheaterabende, nach Schluß des »Programmes« an den Flügel zu treten und den optimistischen und sentimentalen Schlagern der deutschen Unterhaltungsmusik des Dritten Reiches einige schwermütige oder rhythmisch interessante griechische Volkslieder, einige Opernarien folgen zu lassen. Die Arie der Amneris im verhaßten Italienisch, die Seguidilla der Carmen in akzentfreiem Französisch wurde von den Gastgebern ebenso bejubelt wie von der deutschen Theatergruppe neidlos anerkannt. Den größten Erfolg hatte sie aber mit der Barkerole aus der verfemten Oper des Juden Jacques Offenbach »Hoffmans Erzählungen«, die sie pikanterweise in Deutsch sang.
Doch war Gesang nicht ihre einzige musische Begabung. Neben der Ausbildung ihrer Stimme und dem Studium des Repertoires leitete sie - was sich erst herausstellte - eine Folkloretruppe, deren Tänze und Tanzlieder bald die Begeisterung der Besatzer hervorriefen. Die Nationaltänze junger, schöner Evzonen, die Reigen von Dorfmädchen verschiedener Regionen und Insellandschaften, die Paartänze des Festlandes wurden von den Besatzungsbehörden beider Militärmächte nicht nur geduldet, sondern als Pflege alten Kulturgutes gefördert.
Zwischen der deutschen Truppe und Helena mit ihrem Folklore-Ensemble entstand rasch eine kollegiale Beziehung. Sie und ihre Leute waren »vom Bau«, gehörten »dazu«. Sie galten nicht als Amateure, sondern als Profis. Der Leiter der Tournee - ein seltsamer Mann, der sich, wo immer es ging, im Schatten aller Ereignisse hielt - setzte sich für diese landeseigene Gesangs- und Tanzgruppe bei den militärischen Betreuungsstellen überraschend stark ein. Dies hatte nicht nur künstlerische - sondern wie sich später herausstellte - auch persönliche und betrieblich zwingende Gründe. Seine Truppe erlitt laufend Ausfälle, deren Ersatz aus dem Reich durch die verkehrstechnischen Umstände nicht mehr möglich war. Die Ernährungssituation und die klimatischen Gegebenheiten, die Hitze und die ihr kaum gemäße Soldatenkost verringerte laufend die Sollstärke des Ensembles, erzwang einschneidende Programmänderungen durch gastrische Beschwerden und Erkrankungen. Ganze Nummern fielen aus, waren durch weitere Mehrfachauftritte eines Solisten nicht mehr auszugleichen. Kurz, es gelang ihm, mit Unterstützung der einflußreichen Herren des Marinestabes und der Kasinoleitung, beide Truppen förmlich zu koordinieren. Man schlug damit zwei Fliegen mit einer Klappe. Das kleine deutsche Ensemble wurde personell verstärkt und eignete sich nun auch für eine größere Abspielbasis. Denn die typisch deutschen Darbietungen traten in einem erweiterten Tanz- und Gesangsprogramm mehr in den Hintergrund. Nun wurde auch für die italienische
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