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Das finstere Tal - Willmann, T: Das finstere Tal

Das finstere Tal - Willmann, T: Das finstere Tal

Titel: Das finstere Tal - Willmann, T: Das finstere Tal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Willmann
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nie anmerken, dass er dessen Spitzelblicke sehr wohl registriert hatte. Daraufhin bekam das Spiel des Jungen, der sich zuerst ganz selbstvergnügt mit den einfachsten Dingen wie Stöcken oder Steinen beschäftigt hatte, etwas von einer Darbietung. Das Kind wusste, dass es einen Beobachter hatte, und wenn dieser sich durch neugieriges Anschauen nicht aus der Ruhe bringen ließ, so sollte er doch wohl auf andere Weise zu einer Reaktion zu bewegen sein. War der Bub zuvorstill und versunken gewesen in seinen Erkundungen des Hofs, so kündigte er jetzt jeden neuen Plan vor seiner Ausführung erst an, verlautbarte sofort jede gemachte Entdeckung. Doch der Schein, dass er all das nur für sich selbst tat, wurde spätestens immer dann zerstört, wenn nach jeder Beachtung heischenden Aktion ein nach deren Wirkung forschender Blick zum umbuhlten Publikum ging.
    Und siehe da, nachdem dies einen halben Tag lang stets fruchtlos gewesen war, krönte der Fremde die Bemühungen des Jungen schließlich doch mit Erfolg. Als der Bub nach einer besonders spektakulären Anstrengung – er hatte einen Stein fast so groß wie sein eigener Kopf bis auf Schulterhöhe gewuchtet und dann im Bogen von sich geschleudert – einmal mehr zu dem Mann auf der gegenüberliegenden Seite des Wegs aufschaute, schon mehr aus Gewohnheit als in echter Hoffnung, da landete sein Blick tatsächlich auf einem leicht schief gelegten Gesicht, dessen Augen offenbar nur darauf gewartet hatten, den seinen geradewegs zu begegnen. Das Kind zögerte, das Lächeln zu erwidern, öffnete halb den Mund in einer unentschlossenen Mischung aus Neugier und Erstaunen, aber es scheute nicht zurück vor dem Blick des Fremden, und es war schließlich Greider, der den groß aufgetanen, tiefdunklen Augen des Kleinen auswich und wieder zu seiner Arbeit überging. Doch nun hatte der Junge die Gewissheit, dass er seine kleinen Vorstellungen nicht an ein blindes Publikum verschwendete, und wann immer er von da an zu dem Maler hinüberschaute, dauerte es nicht lang, bis dieser wohlgesinnt zurücklächelte. Und so wurde der Bub bald zutraulicher, hielt den Abstand zum sicheren Haus nicht mehr so bedacht kurz.
    Während der ganzen Zeit blieb das scheinbar sich allein überlassene Kind freilich nie ganz unbeaufsichtigt. Immer wieder konnte Greider hinter den Fenstern des Hofs Bewegungenerkennen, sah Menschen im Flur hinter der nie völlig geschlossenen Eingangstür auftauchen. Und als der Kleine schließlich einmal gar zu zielstrebig auf die Einfahrt zum Hof zustakste, da konnte man auf einmal ein, zwei scharf über den Platz hallende Worte aus dem Haus vernehmen, und schon machte das Kind mit erschrockener Miene kehrt. Aber es traute sich nach einer Weile trotzdem bis fast an den Zaun zur Straße hin, ließ sich dort auf die von der Kälte harte Erde plumpsen und begann, den Fremden unverwandt mit munterem Blick zu mustern.
    Der wiederum wendete seine Aufmerksamkeit nun auch nicht mehr von dem Jungen ab, sondern studierte sein Gesichtlein genau, besah sich das feine, erst langsam dunkelnde Haar, die große, glatte Stirn, die zwischen zwei feste, rote Backen gesteckte kuglige Nase, den weichen Mund mit seinen lückenhaften Zahnreihen und die weiten Augen, die so dunkel waren, dass Iris und Pupille kaum voneinander zu scheiden waren. Eine Weile saßen sie beide so, in den gegenseitigen Anblick vertieft, dann blätterte Greider ohne fortzuschauen die angefangene Skizze eines Details des Hofs auf seinem Block weiter, ließ die Hand mit dem Zeichenstift ein paar Mal locker über dem neuen, leeren Blatt unsichtbare Linien in die Luft ziehen, um die rechte Position, den rechten Schwung für den ersten wirklichen Strich zu finden – und begann dann, das Gesicht des Kindes auf dem Papier nachzuerschaffen.
    Der Kleine schien durchaus zu verstehen, was da geschah, aber er hielt klaglos und frohgemut still, und als sich auf dem Zeichenblock die ersten Umrisse gefügt, die ersten angedeuteten Einzelheiten zusammengefunden hatten, da hielt Greider die Skizze hoch, damit der Junge sie begutachten konnte. Und weder erschrak dieser, noch war ihm das Anlass zu Heiterkeit, sondern er fixierte ernst das Bild.
    Sobald der Bub den Eindruck machte, fürs Erste genug gesehen zu haben von seinem Ebenbild, nahm Greider die Arbeit daran wieder auf, doch wenn ein merklicher Fortschritt erzielt war oder das Kind ungeduldig zu werden schien, dann stellte er den Block wieder auf seine Knie, dass der Junge einen

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