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Das finstere Tal - Willmann, T: Das finstere Tal

Das finstere Tal - Willmann, T: Das finstere Tal

Titel: Das finstere Tal - Willmann, T: Das finstere Tal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Willmann
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taufeuchte Wiese stellte, und er hielt dies allein für Tränen der Wiedersehensfreude und der Dankbarkeit. Aber es waren in Wahrheit auch Tränen der Trauer um eine vernünftige Liebe, um ein Leben in sicherer, überschaubarer Knechtschaft und Demütigung. Es waren Tränen einer großen, absurden Befreitheit: der Freiheit, alles auf eine einzige Karte gesetzt zu haben und keinen Rückweg mehr offen zu haben.
    Das Pferd des Schmieds war keine drei Schritte von dem Balken zum Stehen gekommen, der sich im Geländer der Brücke verkeilt hatte. Das gab der Frau Gelegenheit, noch einmal einen genauen Blick auf den Mann –
ihren Mann
– zu werfen, dessen Handgelenke an das Holz genagelt waren. Es fiel ihr schwer, den gemarterten, zerbrochenen und wundenübersäten Leib in Einklang zu bringen mit dem starken, schönen, zärtlichen Burschen, als der er sie nur wenige Stunden zuvor noch in den Armen gehalten hatte. Für einen Moment wollte sie es versuchen, und dann scheute sie davor zurück, weil sie wusste, dass darüber ihr Herz zerbrechen müsste. Es war, als rief ihr eine innere Stimme scharf den Befehl zu, dass dies nicht geschehen dürfe. Als stünde sie einen Blitzschlag lang außer sich und habe die freie Entscheidung, die Trauer, den Schmerz, den Wahn jetzt in ihren Kopf einzulassen – oder sie abzuweisen.
    Und sie versagte sie sich, wurde kalt. Sie ließ den los, der da lag und für den keine Hoffnung mehr war. Um dessen Willen, der er einmal gewesen war und dessen Opfer nicht umsonst sein sollte.
    Später bildete sie sich ein, sein Auge, so leuchtend grün wie am ersten Tag ihrer Liebe, habe sich noch einmal geöffnet und die ihren gefunden. Und es wäre noch einmal etwas aus seinem blutigen, ruinenhaften Mund gedrungen, was mehr sein wollte als ein unartikuliertes Stöhnen, auch wenn es nicht zu mehr geriet. Aber insgeheim glaubte sie nie wirklich, dass das mehr war als ein Versuch ihres Gewissens, einen kleinen Teil ihrer Entscheidung abzuwälzen, absegnen zu lassen, die in Wahrheit allein in ihrer Verantwortung lag.
    Sie spürte, wie die eisernen Arme des Schmieds um ihren Leib lockerließen, wie der Hüne sich im Sattel drehte und dadurch sein Gleichgewicht verschob.
    Sie warf einen allerletzten Blick auf den Mann am Boden.
    Dann schloss sie die Augen, sog einen tiefen Atemzug von der waldfeuchten Nachtluft ein. Klammerte ihre Beine fest um den Leib des Pferds.
    Und dann sammelte sie alle Verzweiflung und allen Hass in einem einzigen, hell glühenden Punkt und rammte mit aller Kraft, die sie besaß, ihren rechten Ellenbogen in die Magengrube des Schmieds und riss gleichzeitig mit ihrer linken Hand so fest sie nur konnte an den Zügeln.
    Dem Schmied entfuhr ein halb überraschtes, halb schmerzvolles Keuchen, das Pferd stieg wiehernd auf und begann, sich auf den Hinterbeinen zu drehen. Und da verlor der Hüne den Halt, versuchte rudernd, sein Gleichgewicht wiederzufinden – aber ein zweiter, mit einem wuterfüllten Schrei herausgeschleuderter Stoß der Frau ließ ihn von dem bäumenden Tier rutschen. Nur sein linker Fuß blieb noch im Steigbügel hängen, als er krachend auf dem Boden landete. Die Frau raffte die Zügel in ihre Hände, zwang das Pferd dazu, wenn auch schäumend und schnaubend und mit bis zum Weißen aufgerissenen Augen, sich ihrem Willen zu fügen, wieder auf alle vier Beine zu gehen und sich umzuwenden. Der Schmied versuchte verzweifelt, sich vor den tänzelnden Hufen zu schützen, die plötzlich um ihn herum auf die Erde prasselten, brauchte seine Arme aber zugleich dazu, seinen Fuß aus der lebensgefährlichen Falle zu lösen. Er entschied sich schließlich, lieber einen Tritt zu riskieren, als mitgeschleift zu werden, und es gelang ihm auch, den Stiefel vom Fuß zu streifen. Doch kaum saß er befreit auf dem Weg und wollte sich zur Seite rollen, da galoppierte das Pferd schon los und traf ihn noch mit der Hinterhand an der Schulter. Er heulte auf und blieb, schmerzverkrümmt, im Staub liegen.
    So schnell war das alles vor sich gegangen, dass die Männer auf der Brücke – vertieft in das Problem des quergestelltenBalkens – kaum Gelegenheit gehabt hatten mitzubekommen, was da eigentlich geschah. Jetzt schauten sie auf und sahen die Frau allein im Sattel davonpreschen, den Schmied dahinter am Boden, offensichtlich außer Gefecht. Sie brüllten vor Wut, aber viel mehr konnten sie zunächst nicht machen. Die beiden Pferde, die das Holzstück hinter sich herschleiften, standen noch dicht

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