Das Fjordland: Elfenritter 3 - Roman
Orden vom Aschenbaum. Mir untersteht die neu gegründete Provinz Rabenturm.«
Michelle blickte auf. Dann fing sie an zu lachen. »Das ist gut! Das ist wirklich …« Sie stutzte. »Du meinst das nicht ernst, oder?«
»Todernst. So kann ich bestimmen, was hier geschieht. Wenn ich es nicht getan hätte, dann hätten sie Bruder Louis dieses Kommando übertragen. Ihm hätten wir uns nicht unterworfen. Ein Bruderkrieg wäre unausweichlich gewesen.«
»Wie kommst du darauf, dass sich unsere Brüder dir unterwerfen werden? Glaubst du, es ist leichter, sich einer Verräterin zu unterstellen?«
»Hast du dir einmal Gedanken darüber gemacht, wem du dienst? Ist es ein Ordenswappen? Oder bist du eine Ritterin Tjureds?«
»Lass diese Wortklaubereien! Das ist kein Rhetorikseminar. Das ist …«
»Es ist eine Frage des Glaubens, Schwester. Niemand kennt mich so gut wie du. Ich trage den Blutbaum noch immer im Herzen, auch wenn er nicht mehr auf meinem Waffenrock prangen wird. Wir sind viele. Wir werden den Orden vom Aschenbaum verändern, wenn wir in seinen Reihen aufgehen. Erinnerst du dich daran, was Ignazius Randt über den Kampf gegen einen überlegenen Feind schreibt?«
»Man darf sich keinen großen Schlachten stellen. Statt den Feind offen zu bekämpfen, muss man seine Kräfte langsam aufzehren. So wie Termiten den mächtigsten Baum fällen, indem sie ihn von innen aushöhlen. Das sind schöne Worte, Schwester. Ignazius Randt war darin schon immer gut. Aber im Feld hat er versagt. Er war nur kurze Zeit Ordensmarschall. Bist du ihm begegnet? Ich weiß, du hast ihn schon immer verehrt. War er es, der dich bekehrt hat?«
Lilianne blickte auf ihr Rapier, das in der Ecke an der Wand lehnte. Michelle hatte ihre Waffen nicht abgelegt.
»Ignazius Randt war in der Tat bei meinem Gespräch mit dem Großmeister Erilgar zugegen.«
Ihre Schwester erhob sich langsam von ihrem Stuhl. Lilianne war sich nicht sicher, wie sie ihr Verhalten deuten sollte. Früher einmal hatte sie geglaubt, sie sehr gut zu kennen. Das war in der Zeit, bevor Michelle Honoré niedergeschossen hatte. Lilianne war nicht dabei gewesen, aber in den Jahren, die seitdem verstrichen waren, hatte sie mit allen Zeugen dieses Vorfalls gesprochen. Und sie hatte nicht begriffen, wie es dazu gekommen war. Honoré war mit Michelle in derselben Lanze gewesen. Sieben Jahre lang hatten sie Tag und Nacht miteinander verbracht. Sie waren Löwen gewesen, eine verschworene Gemeinschaft. Michelle hatte ihn geliebt, diesen verdammten Mistkerl. Auch das hatte Lilianne nie verstanden.
Um ihm dann kaltblütig eine Kugel durch den Leib zu schießen. Einem Wehrlosen, um dessen Leben sie noch kurz zuvor gekämpft hatte.
Lilianne war klar, dass Michelle inzwischen auch die bessere Fechterin von ihnen beiden war. Sie hatte sie oft im Fechtsaal beobachtet. Das Einzige, woran es ihr mangelte, war die Fähigkeit, kaltblütig vorauszuplanen. Sie war unberechenbar. Entschied aus dem Augenblick heraus.
Lilianne hatte geplant, in diesem Zimmer zu sein. Noch bevor sie zu dem Treffen mit Erilgar aufgebrochen war, hatte sie gewusst, dass Michelle die Erste sein musste, die sie auf ihre Seite ziehen würde. Deshalb hatte sie sich auch gleich an den Tisch gesetzt. So konnte sie sicher sein, dass sie vor der Schublade mit der geladenen Radschlosspistole sitzen würde.
Michelle stand jetzt mitten im Zimmer. Ihre Hände lagen auf den Griffen von Rapier und Parierdolch.
Lilianne tastete nach dem abgegriffenen Holzknauf der Schublade. Sie lächelte. »Ich kann ja verstehen, dass es dir die Sprache verschlagen hat. Aber wir müssen mitmachen, wenn wir das Schicksal jemals wieder zu Gunsten der Neuen Ritterschaft wenden wollen. Wenn wir jetzt gegen den Aschenbaum kämpfen, dann wird alles vernichtet werden, wofür wir eingetreten sind.«
»Und du hast beschlossen, die Termitenkönigin zu sein.«
»Ich sehe mich eher in der Rolle der Märtyrerin als in der einer Königin. Wenn mein Plan gelingt und das Termitenvolk den Aschenbaum zum Sturz bringt, dann werde ich mit ihm stürzen und als Verräterin hingerichtet werden. Nur du wirst wissen, wie es wirklich gewesen ist. Und ich verbiete dir schon jetzt, jemals etwas darüber zu sagen, denn wenn du auf meiner Seite stehst, dann wirst du mit mir fallen.«
»Wie konnte es jemals so weit kommen?«
»Frag Honoré. Ich weiß nicht, was er in Aniscans getan hat.«
»Und was werden wir tun?« Michelle drehte den Kopf und lockerte ihre Halsmuskeln.
Weitere Kostenlose Bücher