Das Fjordland: Elfenritter 3 - Roman
waren. In Gonthabu, der Stadt, in der ihr Handelsherr das Fjordland betreten hatte, hatte sie ihr Gesicht mit barbarischen Mustern bemalen lassen. Die Gefahr, von einem Krieger wiedererkannt
zu werden, gegen den sie einmal auf dem Schlachtfeld gekämpft hatte, war zwar nicht groß, aber es war klüger, jedes auch noch so kleine Risiko zu meiden. Ihre Mission war ohnehin schon gefährlich genug.
Bewaffnet war sie mit Rapier und Parierdolch wie alle Meisterfechter des Südens. Sie trug enge Hosen und ein kurzes, geschlitztes Wams. Auf eine dralle, bunte Schamkapsel, wie sie eigentlich zu diesen Männerkleidern gehörte, hatte sie verzichtet. Ein weiter, grauer Umhang verdeckte die Pracht ihrer Gewänder.
Mit festen, selbstsicheren Schritten bewegte sie sich durch das Gedränge. Trotz des kalten, nassen Wetters waren die Gassen noch sehr belebt. Puppenschnitzer, Kräuterhändler und Zuckerbildgießer boten ihre Waren an. Dabei stank es nach Fisch und Rauch und all dem Abfall und den Fäkalien, die die Bewohner der hohen Fachwerkhäuser einfach aus ihren Fenstern hinab in die Gosse schütteten.
Corinne hielt sich in Richtung des Fjords. Die Gassen fielen leicht zum Ufer hin ab. Hier dominierte der Gestank nach geräuchertem Fisch die Gerüche. Rauch brannte in den Augen. Die Häuser waren hier nicht mehr bunt gestrichen. Hinter abgeplatztem Lehmputz wirkte das Weidenflechtwerk der Wände wie verschorfte Wunden. Die meisten Fensterläden waren zugezogen. Nur wenige Passanten waren hier unterwegs. Man sah Gestalten in Hauseingängen herumlungern. Näherinnen und Flickschuster boten ihre Dienste an. Havenburg war ein Stadtteil, in den es besonders viele der Flüchtlinge aus Drusna verschlagen hatte. Kriegshelden von einst waren zu Tagelöhnern und Zuhältern geworden. Dies war ein Ort, an dem die dunklen Leidenschaften blühten. Hier konnte man alles bekommen, zu junge Mädchen, verbotene Kämpfe zwischen Kriegern und Bärenbeißern. Blut war hier billig.
Corinne ging an den hohen Mauern des Waisenhauses vorbei.
Sie hörte die harschen Befehle des Abendappells und den Marschtritt der Kinder. Allein in Firnstayn gab es drei Waisenhäuser. Dort herrschte militärische Disziplin. König Gunnar hatte sie einrichten lassen, um dort Jungen und Mädchen, die ansonsten in der Gosse dahinvegetiert wären, als Nachwuchs für seine Heere auszubilden. Corinne hatte sich eines der Häuser vor ein paar Tagen angesehen. Sie kamen ihr vor wie schlechte Kopien der Ordensburg in Valloncour. Dort fehlte es an allem. An solch jämmerlichen Orten konnte man nicht auf den Weg zu Ehre und Ruhm geführt werden. Dort wurden lediglich tumbe Totschläger herangezogen.
Schräg hinter dem Waisenhaus lag die Aalgrotte, der Ort, an dem der Mann, den sie suchte, sich bevorzugt aufhielt. Sie hatte kein Verständnis dafür, wie man sich derart gehen lassen konnte, wie der Drusnier es tat, doch die Befehle Honorés waren eindeutig gewesen.
Das Haus war schäbig. Alle Fenster waren verriegelt. Im Erdgeschoss waren sie sogar mit Brettern vernagelt. Aber die Tür war einzigartig. Es widerstrebte Corinne, gegen das dunkle, rotbraune Holz zu klopfen. Es zeigte Hunderte sich über-und untereinander windende Aale. Das Schnitzwerk war plastisch hervorgehoben und mit einem Lack überzogen, der die Aale glänzen ließ. Die ganze Arbeit wirkte obszön. Freiwillig hätte sie so eine Tür niemals durchschritten.
Sie zog ihren Parierdolch und klopfte mit dem Knauf energisch gegen das Holz. Es dauerte einen Augenblick, bis ihr geöffnet wurde. Eine hübsche, aber mürrisch blickende Frau öffnete ihr und musterte sie mit unverhohlenem Missfallen. »Das ist kein Ort für Frauen.«
Corinne nannte den Namen. »Er erwartet mich. Und er wird nicht erfreut sein, wenn er hört, es habe an dir gelegen, dass ich nicht kommen konnte.«
Die Veränderung, die die Frau durchlief, hätte nicht drastischer
ausfallen können. Die Fassade der Schönheit war wie weggewischt. Ihr Gesicht, ihre Körperhaltung, sogar ihr Geruch, alles war zum Spiegel nackter Angst geworden. »Ich wusste nicht …«
»Bring mich einfach zu ihm!« Die Ritterin fragte sich, was hinter der Aaltür geschah. Selbst die Fragenden vermochten es nicht, Menschen mehr Angst einzuflößen.
Die Tür schloss sich hinter Corinne. Sie wurde durch einen großen Raum geführt, in dem es nach Pfeifenkraut, Schweiß und käuflicher Liebe roch. Es gab viele Nischen entlang der Wände. In einigen regte sich etwas. Leises
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