Das Fjordland: Elfenritter 3 - Roman
Noch immer lagen ihre Hände auf den Waffengriffen. Das mochte nichts bedeuten …
»Ich brauche jemanden, der bedingungslos an meiner Seite steht. In den nächsten vierundzwanzig Stunden wird sich das Schicksal der Neuen Ritterschaft entscheiden. Du weißt, wie gereizt die Stimmung unter den Soldaten ist. Sie hocken hier schon viel zu lange zusammen, ohne eine Aufgabe zu haben. Und dann noch der Mord an Bruder Alvarez. Wir sitzen auf einem Pulverfass. Es dauert noch eine und eine halbe Stunde bis Sonnenuntergang. Wenn ich nicht all unsere Brüder und Schwestern überzeugen kann … Wenn nur einer von ihnen hinausgeht in die Schenken oder Kasematten, um dort eine flammende Rede gegen den Aschenbaum zu halten, dann wird es zu einem Blutbad kommen. Wir werden uns untereinander zerfleischen. Das darf nicht geschehen.«
Michelle nickte.
»Kann ich dir vertrauen?«
Wieder nickte ihre Schwester. Lilianne war versucht, sie einen Eid schwören zu lassen, verwarf die Idee aber wieder. Das zu verlangen, käme einer Beleidigung gleich. Sie musste ihr vertrauen. Ihr blieb keine andere Wahl. »Du musst Folgendes tun, Michelle …«
IN DER AALGROTTE
Corinne hielt sich auf der schattigen Seite der Gasse und beobachtete die Rückkehr der Verräterin. Man sah ihr an, dass sie einmal zum Orden gehört hatte. Ihre Haltung zu Pferd, der Stolz in ihren Augen. Es war ungeheuerlich, dass sie ihre Familie derart hintergangen hatte. Valloncour hatte ihr alles gegeben. Und ihr Dank waren Krieg und Intrigen.
Die Ritterin schnaubte verächtlich. »Du hast dich mit dem Meister der Intrigen angelegt. Dafür wirst du deinen Preis bezahlen.«
Corinne sah der kleinen Reiterschar zu, die durch das Gedränge auf dem Fischmarkt nur langsam vorankam. Sich mit einem Haufen in Kettenhemden und stinkende Felle gekleidete Barbaren als Leibwache zu umgeben! Sie schüttelte den Kopf. Ob Gishild sich vor den Kerlen ekelte? Sie sahen aus, als seien sie einer alten Geschichte entsprungen. Ihre stämmigen kleinen Pferde wirkten grotesk. Die schweren Streitäxte und Schilde waren die Waffen vergangener Jahrhunderte. Und dann hatten sich noch einige mit Pistolen behängt. Grimmige Helme, die ihre Augen verbargen, schränkten zugleich auch ihre Sicht im Kampf ein. Solche Helme mochten von Nutzen sein, wenn man Schild an Schild kämpfte. Doch im Duell waren sie ein tödliches Hindernis. Der Narr, dem sie letzte Woche gegenübergetreten war, war gestorben, bevor er begriffen hatte, wie dumm es war, mit einem solchen Helm gegen einen Rapierfechter anzutreten.
Corinne versuchte sich die Gesichter der Leibwächter einzuprägen, die Gishild folgten. Diese Mandriden waren trotz ihrer mangelhaften Ausrüstung ernst zu nehmende Gegner. Jeder von ihnen war angeblich bereit, vorbehaltlos sein Leben
für die Königin zu opfern. Gishild hatte elf von ihnen in ihrem Gefolge. Der Anführer, ein alter Kerl, ritt ein Elfenross. Leider trug die Hälfte der Krieger Helme mit einem Augenschutz, so dass man sie nicht genau erkennen konnte. Ohnehin fand Corinne, dass diese Bärtigen einer wie der andere aussahen. Eine grässliche Mode!
Nur einer der Männer war rasiert. Er hatte eine erstaunlich helle Gesichtshaut. Leider konnte sie von ihm nur Mund und Kinn sehen, da der Rest unter dem Helm verborgen blieb. Er hatte seinen Fellumhang merkwürdig drapiert, so dass er sich hoch auf seinen Schultern türmte. Fast mochte man meinen, der Kerl wolle sich verstecken. Er war ein guter Reiter. Jedenfalls wenn man einen Blick dafür hatte. Er saß nicht wie ein Bauer im Sattel. Wer er wohl war?
Corinne entschied sich, sich tiefer in den Schatten der Gasse zurückzuziehen. Es war erstaunlich, mit welcher Begeisterung die Bewohner Firnstayns ihre Königin empfingen. Corinne war der Ansicht, dass die Herrscherin auf das Beschämendste versagt hatte. Sie war vor ihren Pflichten geflohen! Mitten in einem Krieg für drei Wochen seine Kommandogewalt nicht auszuüben … Dafür gab es bei einem Oberkommandierenden keine Entschuldigung!
Die Ritterin hatte Sorge, dass man ihr anmerken würde, wie wenig Enthusiasmus sie für die Königin empfand. Das wäre nicht gut bei der aufgeheizten Stimmung in der Stadt. Sie war eine Fremde, bei ihr sah man ohnehin genauer hin.
Als Leibwächterin eines Kaufmanns war sie ins Fjordland gereist und hatte in der Hauptstadt ihren Dienst quittiert, um sich als freie Söldnerin zu verdingen. Ihre Haare waren gestutzt, so dass sie kaum noch einen Finger breit
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