Das Fjordland: Elfenritter 3 - Roman
ihren Mund. Einen Augenblick lang fürchtete sie, sie müsse an die Reling treten und sich erbrechen. Ein stechender Schmerz, tief in ihrem Kopf, peinigte sie.
Benommen sah sie sich um. Sie bemerkte, wie sie angestarrt wurde, und versuchte die Blicke zu ignorieren. Endlich entdeckte sie Morwenna. Die Elfe war auf dem Vordeck bei den Verwundeten. Sie versuchte einem Krieger zu trinken zu geben, dem eine Arkebusenkugel beide Wangen durchschlagen hatte.
Morwenna bemerkte sie, noch bevor sie das Wort an die Elfe richten konnte. Sanft bettete die Heilerin das Haupt des Verwundeten auf dessen Deckenlager. Dann sah sie Gishild verächtlich an. »Du wolltest wohl ganz sichergehen.« Sie sagte das in der Sprache der Elfen, so dass keiner der verwundeten Krieger ihre Worte verstehen konnte.
Gishild schluckte ihren Ärger hinunter. »Es geht ihm schlecht. Bitte komm mit mir. Schnell!«
»Für mich musst du kein Schauspiel aufführen.« Sie sah flüchtig zu dem Mann, den sie gerade versorgt hatte, und richtete sich dann auf. »Einige von ihnen werden tot sein, bevor wir das Fjordland erreichen. Und die meisten werden nie mehr ein Schwert führen. Im Übrigen können sie nicht verstehen, was ich dir sage. Du überraschst mich. Du hast mehr von Emerelle an dir, als ich es bei einem Menschenkind für möglich gehalten hätte. Dein Branntwein war dir wohl noch nicht genug. Du hast ihn also auch noch geliebt, um ihm die allerletzten Kräfte zu rauben. Dabei flüstern die Männer über dich, dass du in Herzenssachen kalt wie ein toter Fisch bist. Und nun zeigst du, dass du dich wie eine Hure aufführen kannst, wenn es deinen Zielen dient. Du …«
Gishild konnte nicht länger an sich halten. Ihre Hand schoss hoch, doch Morwenna war noch schneller und packte sie, bevor die Königin ihr eine Ohrfeige geben konnte.
Gishild versuchte, sich mit einem Ruck zu befreien, doch die schlanken Finger der Heilerin hielten ihr Handgelenk fest wie eine eiserne Schelle. Dann drückte Morwenna ihre Hand hinab. Die Elfe war viel stärker, als man beim Anblick ihrer zartgliedrigen Gestalt vermutet hätte.
Morwenna lächelte. Gishilds Hand zu packen und wieder hinabzudrücken, hatte kaum einen Herzschlag gedauert, und wer nicht gesehen hatte, was geschehen war, musste den Eindruck haben, sie seien zwei gute Freundinnen, die sich vertraut bei der Hand hielten, während sie zu Gishilds Kabine gingen.
»Täusche dich nicht in mir, Königin. Ich war nicht immer in meinem Leben eine Heilerin. Und glaube mir, ich weiß, was Frauen tun, um ihre Macht zu erhalten. Meine Mutter war eine Fürstin. Und für lange Zeit war sie nach Emerelle die zweitmächtigste Frau im Volk der Elfen.«
Gishild hatte von Alathaia gehört, und mit ihr verglichen zu werden, empörte sie. Mit dieser intriganten Mörderin hatte sie nichts gemein! »Deine Mutter hatte ihre Seele der schwarzen Magie verschrieben. Sie hat das Blut von Kindern geopfert, um an die Macht zu kommen …«
»Jeder kämpft mit den Mitteln, die ihm zu Gebote stehen. Sei nicht so naiv! Wenn du ihre Möglichkeiten hättest, dann würdest du ebenso von ihnen Gebrauch machen.«
»Ich bin keine Kindsmörderin!«
Morwenna lachte leise. Es war ein schneidender, kalter Laut, der Gishild erschaudern ließ.
»So einfältig kannst du nicht sein. Wenn du ehrlich bist, dann weißt du, dass man nicht den Dolch in eine Kinderbrust senken muss, um eine Mörderin zu sein. Auch du hast Blut
an deinen Händen! Allein dein letzter Kampf hat hundertfünfzig Fjordländer das Leben gekostet. Viele junge Männer. Ihre Weiber und Kinder haben ihre Beschützer verloren. Was ist mit denen, die keine Familie haben? Denen das Paar Hände verloren gegangen ist, das sie ernährte?« Sie zog die Brauen hoch. »Du weißt, wie wenig die kargen Berghöfe abwerfen. Du weißt, dass deine Jarls keine Gnade kennen, wenn ihnen ihre Pacht nicht gezahlt wird. Sie sind keine Wohltäter. Säumige Pächter werden von Haus und Hof vertrieben. Hast du nie so weit gedacht? Tote Krieger können ihren Sold nicht mehr an ihre Familien schicken. Und schlimmer noch ist es mit den Krüppeln, deren Gliedmaßen auf den Schlachtfeldern Drusnas liegen. Jene, die mit Armen und Beinen für deine Kühnheit gezahlt haben. Sie kehren zurück als unnütze Esser. Ihren Familien können sie nicht mehr helfen; sie reißen sie nur noch schneller in den Abgrund. Was glaubst du, wie viele sich mit eigener Hand gerichtet haben, weil sie diesem Schicksal entgehen
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