Das Fjordland: Elfenritter 3 - Roman
wollten? Und wie viele Männer hinter mir auf dem Deck gar nicht mehr gesund werden wollen, weil sie genau wissen, was sie dann erwartet? Ich kann niemanden heilen, der im Tod seine letzte Zuflucht sieht. Ganz gleich, welche Kunst ich aufbiete, sie siechen unter meinen Händen dahin. Maße dir also nicht an, über meine Mutter zu richten. Und flüchte dich nicht in die allzu billige Lüge, du hättest noch keine Kinder getötet!«
Morwenna öffnete die Tür zu Ereks Kabine.
Gishild wurde sich bewusst, dass, kaum vom Zimtgeruch überlagert, der Duft ihrer Liebesnacht in der stickigen Kammer hing. Sie presste die Lippen zusammen. Und sie hätte Morwenna am liebsten in das kälteste Loch der Snaiwamark gewünscht, doch konnte sie sich nicht der Wahrheit ihrer Worte verschließen. Der jungen Königin wurde bewusst, dass sie einzig und allein daran gedacht hatte, welchen Preis sie
selbst für ihre Krone hatte zahlen müssen. Was ihre Herrschaft andere gekostet haben mochte, war ihr keinen Gedanken wert gewesen.
Morwenna setzte sich neben Erek aufs Bett und griff nach dessen Hand. Er war totenblass, sein Verband von Blut getränkt.
Die Elfe schloss die Augen. Ihre Lippen bewegten sich lautlos, während sie das Handgelenk des Kriegers hielt. Gishild wusste nicht, welchen Zauber Morwenna gerade wirkte, doch betete sie stumm, dass die Elfe Erek retten möge.
Endlich öffnete die Heilerin die Augen. »Vielleicht haben dein Branntwein und deine Liebe nicht genügt, um sein Schicksal zu besiegeln. Er kämpft! Er ist stärker, als er sein sollte. Er hat etwas gefunden, wofür er leben will.«
»Kannst du ihn heilen?« Gishild trat dicht an das Lager. Erek schwitzte nicht mehr. Seine Haut wirkte durchscheinend. Wie Wachs war sein Gesicht.
Morwenna zog das Messer, das sie am Gürtel trug, und begann Ereks Verbände aufzuschneiden. Das blutige Leinen warf sie neben den Krug mit den Blumen. Die Wunde in Ereks Achsel hatte sich wieder geöffnet. Blut sickerte auf das schneeweiße Bettzeug. Plötzlich griff die Elfe nach Gishilds Hand. Sie drehte sie herum und betrachtete eingehend das Netz der Linien.
Endlich brach Gishild das bedrückende Schweigen. »Wird er leben?«
»Du wirst ihn töten, Königin. Ganz gleich, was ich heute tue. Dein Schicksal ist festgeschrieben. Dein Herz gehört nicht ihm, auch wenn er es jetzt glauben mag. Allerdings liegt es in deiner Macht, ob er als glücklicher Mann sterben wird. Wenn ich jetzt gehe, dann wird es so sein.«
Gishild atmete schwer. Sie hatte das Gefühl, ersticken zu müssen. Die schreckliche Wunde zog ihren Blick an. Selbst
als sie die Augen schloss, sah sie in ihrem Geiste noch das geschundene Fleisch. Trotzig reckte sie das Kinn vor. Sie war eine Kämpferin. In allem! Sie würde niemals aufgeben! »Heile ihn!«, befahl sie schroff.
Ragnar, ihr alter Lehrer, hatte ihr vor langer Zeit einmal davon erzählt, dass ein erbitterter Streit innerhalb der Luthpriesterschaft tobte, auch wenn die Männer und Frauen, die sich dem Dienst am Schicksalsweber verschrieben hatten, den Gläubigen stets ruhig und besonnen vorkamen. Der größere Teil von ihnen war der Überzeugung, dass das Leben eines jeden Menschen von seiner Geburt an vorherbestimmt sei. Sobald ein Kind aus dem Schoß seiner Mutter gezogen wurde, war sein Lebensfaden gesponnen, und Luth wusste, an welcher Stelle er einst sein Messer anlegen würde, um diesen Faden zu durchtrennen. Es gab aber auch Priester, die sich dem Glauben widersetzten, der Mensch hätte keine Freiheit in seinem Leben. Dass alle Taten ohne Belang waren und man ein Schicksal nicht zu verändern vermochte. Sie sagten, dass jeder Mensch seinen eigenen Faden spann und Luth sein Messer erst ansetzte, wenn die Summe der Taten eines Lebens zum Augenblick des Todes geführt hatte.
Gishild blickte auf ihre Hand. Diese Linien besagten nichts! Sie würde ihr Leben ändern. Nichts war vorherbestimmt! Und deshalb lohnte es sich zu kämpfen. Bis zum letzten Atemzug.
DIE KRONE ALBENMARKS
Honoré lauschte auf die Lieder, die aus den Kasematten der Hafenfestung herauf zu seinem Turmfenster drangen. Die Seeleute und Soldaten feierten immer noch ihren Sieg in Albenmark. Er betrachtete die verzogene Schwanenkrone mit den eingetrockneten Blutflecken. Sie lag zuoberst in der Truhe, die er gepackt hatte. Mit der Abendflut würde seine Galeasse auslaufen. Er würde mit kleiner Eskorte gen Süden reisen und nicht zurückkehren, bevor er nicht den nächsten Sieg errungen
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