Das Fjordland: Elfenritter 3 - Roman
davon, Aruna. Das Erbe der Alben soll uns entrissen werden. Im Silberspiegel sah ich das Banner des toten Baumes über unseren Städten wehen. Auch Uravashi und etliche deiner Schwestern hatten diese Visionen.« Sie sah Aruna fest an. »Auch du bist eine Apsara. Weißt du nicht um sein Schicksal? Hast du in all der Zeit, die du mit ihm verbunden warst, nicht versucht, in seine Zukunft zu sehen?«
»Er ist Blut von meinem Blut geworden. Ein Teil von mir. Und unsere eigene Zukunft zu sehen, ist uns gnädigerweise verwehrt, Herrin.«
»Willst du es jetzt versuchen?«
Aruna zögerte. Dann schüttelte sie den Kopf. »Er wird immer ein Teil von mir bleiben.«
Sie sahen einander lange schweigend an. Von Uravashi wusste Aruna, wie verzweifelt die Königin versuchte, den Schleier der Zukunft zu zerreißen, und dass sie den Bildern, die ihr die Silberschale zeigte, nicht mehr traute. Oft hatte Emerelle ihr Orakel aufgesucht. Aruna hatte nie zu fragen gewagt, was ihre Fürstin der Königin gesagt hatte. Wenn sie die Herrin Albenmarks so betrachtete, war sie froh, ihre Bürde nicht tragen zu müssen.
»Ich verspreche dir, ich werde gerecht zu dem Jungen sein.« Emerelle winkte dem weiß gewandeten Ritter, der schweigend im Hintergrund gewartet hatte.
Er hat traurige Augen, dachte Aruna. Als er niederkniete, um den Jungen aufzuheben, berührte die Apsara flüchtig die Hand des Elfen. Erschrocken fuhr sie zurück. Sie hatte den Tod des Ritters gesehen. Es war, als hätten die Flammen auf ihrer Haut gebrannt. Seine Tage waren gezählt.
»Du musst dich nicht sorgen, Aruna.«
Ganz offensichtlich hatte die Königin den Schrecken auf ihrem Gesicht falsch gedeutet.
»Ollowain wird über den Menschensohn wachen und darüber, dass ich mein Wort nicht breche.«
ZWEI BRIEFE
Die Wachen hatten ihn zu einer Tür aus verzogenem grauen Holz gebracht. Die Ordensniederlassung der Ritter vom Aschenbaum sah heruntergekommen aus. Antkerk war kein bedeutender Hafen. Rodrigo hatte noch nie von ihm gehört, bis die Gottesbote gestern Nachmittag im Hafenbecken vor Anker gegangen war. Ein besseres Fischerdorf mit verfallenen Festungswerken war dieses Kaff. Aber Rodrigo war sich sicher, dass man ihm im Roten Krug dennoch all seine Wünsche erfüllen würde. Er musste nur diesen lästigen Auftrag schnell hinter sich bringen.
Der Ruderer dachte daran, wie er durch die Fenster der Schenke gespäht hatte, bevor er vor die Laterne an der Eingangstür getreten war, um das vereinbarte Signal zu geben.
Drinnen hatte er eine Schankmaid mit langem schwarzen Haar erblickt. Sie trug ein so freizügiges Mieder und hatte sich so bereitwillig von den Gästen begrabschen lassen, dass Rodrigo sich ganz sicher war, dass man von ihr mehr bekommen konnte als nur einen Krug mit angewärmtem Wein.
Wieder klopfte eine der Wachen an die graue Tür. Die beiden
Soldaten trugen Kürass und Morion, dazu fast kniehohe Stiefel. Ihre Ausrüstung wirkte so heruntergekommen wie der kleine Hafen. Selbst im Fackellicht sah man deutlich die Rostränder, die die Nieten ihrer Rüstung einfassten.
Hinter der Tür erklang ein mürrisches Grunzen. Dann wurde geöffnet.
Rodrigo machte unwillkürlich einen Schritt zurück. Der Mann, der vor ihm stand, war ein übellauniger Riese. Er war gewiss zwei Schritt groß und hatte eine Brust, so breit wie die großen Wasserfässer tief im Rumpf der Gottesbote. Sein Hemd war offen. Graues Haar kräuselte sich auf der bleichen Haut seiner Brust. Am faltigen Hals änderte sich die Farbe; ohne Übergang wechselte sie zu einem Rotbraun, das in vielen Sommern tief in die Haut gebrannt worden war. Der Kerl hatte ein Leben lang eine Rüstung getragen, dachte Rodrigo; seine Brust hatte nur selten die Sonne gesehen.
Kalte, graue Augen musterten den Ruderer. Das schwarzgraue Haupthaar des Kriegers war zu Stoppeln gestutzt. Eine wulstige Narbe lief quer über seine Stirn. Seine Nase war ein unförmiger, breiter Fleischberg. Rodrigo hätte die Goldmünze in seiner Tasche darauf gewettet, dass sie mindestens zweimal gebrochen worden war. Bestimmt war dieser Ritter ein Veteran der Heidenkriege in Drusna.
»Was gibt’s?«, dröhnte eine tiefe Stimme.
»Ein Bote von der Galeere im Hafen, Herr«, beeilte sich eine der Wachen zu antworten.
Der Ritter maß Rodrigo mit seinen grauen Augen. »Du siehst ja aus, als hätte man dich ins Meer geworfen.«
Der Ruderer zuckte zusammen. Fernando hatte ihm immer wieder eingeschärft, dass er auf keinen Fall
Weitere Kostenlose Bücher