Das Fjordland: Elfenritter 3 - Roman
breiten Gürtel des Kanoniers. Eigentlich hatte er Kanonenkugeln nehmen wollen, um die Leiche zu beschweren, aber die waren abgezählt. Ihr Verschwinden würde auffallen. Die Steine stammten vom Ballast, der tief im Rumpf in der Schiffsbilge lag. Sie würde niemand vermissen.
Fernando richtete sich auf und suchte nach dem Speichenrad des Flaschenzugs. Leise klirrend senkten sich die Ketten, die unter der Decke der Geschützkammer gespannt waren. Eigentlich diente der Flaschenzug dazu, die Kanonenrohre von den Lafetten zu heben. Aber in dieser Nacht würde er ihm gute Dienste leisten.
Der Schreiber legte die Hände des Toten auf den Sack mit den Steinen, der auf dessen Bauch ruhte. Sorgfältig fesselte er sie. Dann hob er Alfonsins Beine an, zog eine Schlinge um die Knöchel und stemmte sich gegen die Beine des Toten. Alfonsins Hose war feucht und stank, als habe sie in einer Jauchegrube gelegen. Der Stoff fuhr dem Schreiber über das Gesicht. Er biss die Zähne zusammen und stemmte sich mit aller Kraft gegen die Beine. Hastig schlang er ein Seil zwischen den Hand- und Fußfesseln hindurch. Dann packte er einen eisernen Haken, der von den Ketten hing, und befestigte das Seil daran.
Fernando betrachtete sein Werk. Er dankte Gott für den Regen. Tjured war an seiner Seite. Er billigte, was er tat. Deshalb hatte er den Regen geschickt. Nur bei diesem Wetter blieben die Ruderer unter ihren Planen. Sonst wäre er niemals lange genug allein gewesen. Die Schlaflosen hockten sonst gern in der Geschützkammer. Und dies war der einzige Ort, an dem er seinen Plan hatte verwirklichen können. Nirgendwo sonst an Bord der Gottesbote wäre es ihm möglich gewesen, Alfonsin einfach verschwinden zu lassen. Er
war viel zu schwach, um diesen Berg aus Fleisch und Knochen allein zu heben.
Fernando trat zum Speichenrad des Flaschenzugs. Langsam drehte er es zurück. Als der Leichnam hüfthoch in der Kanonenkammer hing, blockierte der Schreiber das Rad.
Er ging zu Alfonsin und prüfte, ob das Tuch noch in dem eingeschlagenen Auge steckte. Jetzt nur keinen Fehler machen! Er zog an dem Toten. Klirrend bewegten sich die Ketten. Gestern Nacht erst hatte er sie eingefettet. Das Geräusch war so leise, dass der prasselnde Regen es übertönte.
Langsam zog er die Leiche zur Stückpforte der Tjuredhammer.
Plötzlich zuckte Alfonsin.
»Bist du immer noch nicht tot?« Der Schreiber presste dem Richtschützen die Hand auf den Mund und zog ihn über den Lauf seiner geliebten Kanone hinweg. »Dann wird dich eben der kalte Kuss der See mit hinüber in den großen Schlaf nehmen. «
HERZBLUT
Aruna blickte ins Dunkel. Dorthin, wo der Eingang des Tunnels verborgen lag, der den Turm der mondbleichen Blüten mit dem Hafenbecken verband. Ihre Herrin bemerkte den Blick. Sie schüttelte sanft den Kopf.
Es war töricht, an Flucht zu denken. Aruna strich dem Jungen durch das Haar. Sie trug sein Herzblut in ihrem Herzen.
Sie teilte seine Träume mit ihm. Auch jetzt, in diesem Augenblick. Er war ihr so nahe wie niemand je zuvor. Außer ihrer Mutter. Sie musste ihn beschützen!
Emerelle hatte den Jungen eingefordert, und Aruna wusste, dass es keine weiteren Befragungen mehr geben würde. Was der Ritter gewusst hatte, hatte er preisgegeben. Zu den sieben Namen war kein weiterer mehr hinzugekommen.
Aruna dachte an die Geschichte Noroelles, die einst das Kind des Devanthars geboren hatte. Ein Dämonenkind. Doch es war unter ihrem Herzen herangewachsen. Auch sie hatte sein Blut in ihrem Herzen getragen. Noroelle hatte ihren Jungen nicht hergeben wollen und ihn in die Welt der Menschen gebracht, kaum dass er geboren worden war. Letztlich war ihr Sohn seinen Henkern nicht entkommen. Wer sich gegen Emerelle stellte, der sollte nicht so töricht sein, auf einen Sieg zu hoffen. Mit Glück vermochte man vielleicht ein Ereignis zu verzögern. Dafür, dass sie sich gegen die Königin gestellt hatte, war Noroelle auf alle Ewigkeit in einen Splitter der Zerbrochenen Welt verbannt worden. Doch das Unglück, das die Zauberin heraufbeschworen hatte, wirkte fort. Ihre Tat war wie ein Steinwurf in ein stilles Wasser gewesen. Die Welle, die entstanden war, zog einen immer weiteren Kreis, bis sie schließlich am Ufer zerbrach oder in der Ferne verebbte. Ihre Tat hatte zur Folge gehabt, dass ihre Geliebten Nuramon und Farodin ins Verderben gerissen worden waren. Auch diese beiden hatten sich gegen Emerelle gestellt. Entgegen dem Gebot der Königin hatten sie nach Noroelle
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