Das Fjordland: Elfenritter 3 - Roman
stand. Und Lilianne hatte so schnell zugestoßen … Er hätte damals Gishild mitnehmen sollen. Wenn er nur gewusst hätte! Er war in Panik geraten und davongelaufen. Wie hätte er seinem König erklären sollen, dass er dabei gewesen war, als dessen Tochter niedergestochen wurde? Weit außerhalb des Lagers, weit entfernt von dem Ort, an dem ihn seine Pflicht hätte halten müssen. Niemand hätte ihm geglaubt, dass er kein Verräter war.
Die Ereignisse jener Nacht hatte er nie verwunden. Selbst
als sie ihr Amt als Komturin verloren hatte, hatte Lilianne noch dreimal über Mittelsmänner versucht, mit ihm Kontakt aufzunehmen. Er hatte seine Familie aufgegeben, um seinem Königshaus zu dienen. Eines Morgens hatte er parfümierte Briefe in einem seiner Stiefel gefunden. Sie waren von seinem Weib Ivanna gewesen. Er hätte ihre Handschrift wohl nicht erkannt, aber sie hatte ihr altes Siegel verwendet. Und die Art, wie sie die Worte der Liebe gebraucht hatte, war ihm auch noch vertraut. Nur, dass dieser Brief nicht an ihn gerichtet gewesen war, sondern an einen anderen Mann.
Die letzte Nachricht hatte er vor knapp einem Jahr bekommen. Während des Feldzugs in Drusna. Sie war um einen Pfeil gewickelt gewesen, der neben ihm in einen Baum geschlagen war, als er sich kurz von den Mandriden getrennt hatte, um in Ruhe sein Geschäft zu verrichten. Sie hatten ihm mitgeteilt, dass seine Tochter in den Rang einer Ritterin erhoben worden und eine der Besten ihres Jahrgangs auf der Ordensburg von Valloncour gewesen war. Und sie hatten angekündigt, dass man sie nach Drusna versetzen würde, um gegen die letzten Heiden zu kämpfen.
Sigurd hatte sich mit dem Pergament den Hintern abgewischt. Aber nachts hatte er nicht schlafen können. Er hatte allein an einem Feuer gesessen und zu den Sternen geblickt. Seine Tochter war eine Kriegerin geworden! Das wäre niemals geschehen, wenn sie im Fjordland aufgewachsen wäre, wie er es sich immer gewünscht hatte. Aber irgendwie erfüllte ihn die Nachricht mit traurigem Stolz. Er hatte sich besoffen in jener Nacht, aber er war stolz auf sie gewesen. Ob sie wusste, dass sie eigentlich Mascha Sigurdsdottir heißen müsste?
Der Hauptmann kniete nieder und blickte unter das Bett der Königin. Nur zur Sicherheit! Er würde sich für Gishild zerhacken lassen. Nie wieder durfte ihr etwas geschehen!
Schnaufend richtete er sich auf. Verdammte Wunde! Unruhig stapfte er im Zimmer auf und ab. Er blickte in die schwere Kleiderkiste. Nichts. Alles war in Ordnung.
Seine Kehle war trocken. Der Heiler hatte gesagt, er solle viel trinken. Vielleicht hatte der alte Quacksalber ja recht. Sigurd griff nach dem Wasserkrug neben der tiefen Waschschüssel. Seine Hand verharrte mitten in der Bewegung. Auf dem Grund der Waschschüssel lag ein Brief.
»Verdammte Ritterbrut! Soll Luth euch allen den Faden abschneiden. Könnt ihr sie nicht in Frieden lassen?« Wütend packte er den Brief und stapfte zur Tür. Bis ins Schlafgemach seiner Königin kamen sie. Ihm standen Zornestränen in den Augen. Konnte er sie denn nicht einmal hier beschützen? Von jetzt an würde eine Wache vor dieser Tür stehen. Und sollten …
Die Tür schwang auf. Vor ihm stand Gishild. Sie lächelte gut gelaunt. Einen Herzschlag lang nur. Dann wischte sein Anblick das Lächeln aus ihrem Gesicht.
»Was hast du? Hast du geweint?«
Er blinzelte. »Es ist nicht so, wie es aussieht …«
»Was …« Sie sah den Brief in seiner Hand. »Der ist wohl für mich«, sagte sie kühl.
»Gishild, bitte … Sie schaffen es, in dein Schlafgemach zu kommen. Das darf nicht sein. Sie sinnen nur auf dein Verderben. Du darfst keine Briefe von ihnen lesen. Lug und Trug können genauso schreckliche Waffen im Krieg sein wie Dolche und Schwerter.«
»Bitte, geh!«
Er griff nach ihrem Arm. »Vertrau mir, Gishild. Du musst besser auf dich achtgeben. Du brauchst mehr Wachen. Und wir müssen herausfinden, wer diesen Brief gebracht hat. Da war eine junge Magd mit einem Besen. Sie könnte …«
»Du darfst gehen, Sigurd. Ein Dolchstoß in die Brust konnte
mich nicht töten, als ich ein Kind war. Was sollte ich da als Königin von einem Brief befürchten?«
»Es geht darum, dass sie einfach so in deine Kammer kommen. Du …«
»Nein, Sigurd, jetzt geht es allein darum, dass ich in Ruhe einen Brief lesen möchte, der nur für meine Augen bestimmt ist.« Sie versuchte, ihren Worten mit einem warmherzigen Lächeln die Schärfe zu nehmen.
»Ich könnte Erek rufen
Weitere Kostenlose Bücher